Wider das „obrigkeitsstaatliche Denken“

■ Wasserbauingenieur klagte gegen Abmahnung / Umweltbehörde hatte Verbesserungsvorschlag als Verstoß gegen die „Neutralitäts- und Loyalitätspflicht“ bewertet / Landesarbeitsgericht verurteilte die Behörde zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte

Wie das berühmte Hornberger Schießen endete jetzt für einen langjährigen Mitarbeiter der Umweltverwaltung ein Rechtsstreit mit seinem Dienstherren. Auf eine Berufung der Verwaltung hin entschied gestern das Landesarbeitsgericht in Zweiter Instanz, daß eine in der Ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht erfolgreiche Klage des Ingenieurs auf Entfernung einer Abmahnung in der Personalakte zwar inhaltlich zulässig und begründet gewesen sei, er aber durch sein zwischenzeitliches Ausscheiden aus dem Öffentlichen Dienst auf diese Maßnahme keinen sachlichen Anspruch mehr habe.

Die strittige Abmahnung war von der Umweltbehörde im Dezember vorigen Jahres ausgesprochen worden, nachdem der Mitarbeiter der Wasserbauabteilung dem Umweltausschuß des Abgeordnetenhauses einen Verbesserungsvorschlag zum geplanten Neubau der Spandauer Schleuse eingereicht hatte. Mit diesem Schritt habe der Ingenieur gegen seine Loyalitäts - und Neutralitätspflichten verstoßen, da er versucht habe, „aus seiner dienstlichen Stellung heraus den offiziellen Standpunkt in Mißkredit zu bringen“, rügte daraufhin die Verwaltung. Das Arbeitsgericht fand es dagegen befremdlich, daß dem Kläger als Arbeitnehmer eine Einschränkung der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit zugemutet wurde. Es kritisierte den Standpunkt des Starnick-Hauses als längst überholten „Ausfluß obrigkeitsstaatlichen Denkens und Handelns“ und verurteilte die Behörde, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Wenn überhaupt eine Pflichtwidrigkeit des Mitarbeiters vorgelegen haben sollte, sei sie nicht so stark gewesen, daß die Abmahnung gerechtfertigt gewesen wäre, bestätigte gestern das Landesarbeitsgericht diesen Urteilstenor. Dem Wasserbauingenieur, der es zwischenzeitlich vorzog, mit 63 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen, wurde indes diese Woche noch eine andere Genugtuung zuteil. Zu seinem Erstaunen erhielt er von der Senatsinnenverwaltung für den eingereichten Verbesserungsvorschlag „wegen wertvoller Anregungen“ ein Belobigungsschreiben und eine Prämie. Der überraschte Ex-Senatsmitarbeiter: „So einen umfangreichen Verbesserungsvorschlag, der eine ganze Schleusenplanung betrifft, hatten die wohl noch nicht. Bis heute hat es aber noch keiner der für den Schleusenbau Verantwortlichen für nötig gehalten, mit mir über den Vorschlag zu diskutieren.“

thok