US-Wahlkampf auf dem Fernsehschirm

Von Geburtstagstorten, unwahrscheinlichen Überraschungen und Arnold Schwarzenegger  ■  Aus Washington Stefan Schaaf

Michael Dukakis hatte am vergangenen Donnerstag Geburtstag und bekam vom Gouverneur Pennsylvanias auch einen Geburtstagskuchen und - mitten in der morgendlichen Kundgebung in Philadelphia - eine metergroße Geburtstagskarte überreicht.

Der Kuchen hatte nur 25 statt der 55 Kerzen, die dem Alter des demokratischen Präsidentschaftskandidaten angemessen wären, doch sie stünden nicht für Dukakis‘ Lebensjahre, sondern für die Zahl der Wahlmänner, die Pennsylvania am kommenden Dienstag an Michael Dukakis abliefern werde, versprach der Gouverneur dem Gouverneur.

Vier Tage noch bis zum Wahltag, vier Tage, bis Dukakis den brutalen Kampagnenalltag wieder mit seinem vergleichsweise streßfreien Job an der Regierungsspitze in Massachusetts vertauschen kann. Der Kandidat und sein Kampagnentroß machen gute Miene zum bösen Spiel und reden nach wie vor hartnäckig von ihrem bevorstehenden Überraschungssieg. Die Meinungsumfragen widerlegen zwar diesen Optimismus, doch winkt Michael Dukakis dann immer mit dem Beispiel Harry Trumans, der im Jahr 1948 entgegen allen Prognosen den Sieg über Thomas Dewey davongetragen hatte. Die Methoden der Meinungsforscher sind jedoch in den letzten vier Jahrzehnten erheblich genauer geworden, und so muß man davon ausgehen, daß der sieben- bis dreizehnprozentige Vorsprung George Bushs der Realität entspricht.

Die Szene in Philadelphia füllte zwanzig Sekunden in den Abendnachrichten im Fernsehen. Ein wahrhaft flüchtiger Eindruck, der an diesem Donnerstag nicht nur für den taz -Korrespondenten, sondern für 99 Prozent der amerikanischen Bevölkerung die wichtigste Verbindung zu der politischen Roadshow in Pennsylvania darstellte.

Später, in einem zweiten Bericht, war Michael Dukakis Gast einer Schule und wurde von einem neunjährigen Knirps gefragt, wie er sich in einer Debatte am nächsten Tag verhalten solle, in der er Dukakis spielen solle. Langsam solle er sprechen, sagte der echte Kandidat, und lächeln, und vor allem solle er sich sofort gegen Angriffe zur Wehr setzen. Alle lachten, selbst der Nachrichtensprecher schmunzelte und meinte, es werde aber Zeit, daß Dukakis das endlich begreife. Dann kam der tägliche Bericht aus der Bush -Kampagne, die durch Illinois tourte. Arnold Schwarzenegger stand dem Vizepräsidenten zur Seite und ballerte mit breitem österreichischen Akzent ins Mikrofon: „Ich habe den 'Terminator‘ nur im Film gespielt, aber wenn es um Amerikas Zukunft geht, ist Mike Dukakis der echte 'Terminator'“. Die Masse grölt, Schnitt, vier Werbespots, dann der abendliche NBC-Kommentar. Geist- und geschmacklos sei diese Kampagne, nörgelt der alte Herr mit der Brille, der in der Wüste des allabendlichen Blödsinns meist für zwei Minuten Erlösung bringt. Das schlimmste sei, daß er und die Zuschauer auch dafür noch bezahlen müßten, denn die Kandidaten hätten schließlich neunzig Millionen Dollar Steuergelder für ihre Kampagnen kassiert. Bevor die halbe Stunde „Evening News“ vorüber sind, haben wir noch von dem „Virus“ erfahren, der seit Mittwoch nacht durch Tausende von Computern in amerikanischen Forschungsanlagen geistert, und wir haben die Schlägerei mitansehen dürfen, in die der berühmte Talkshow -Gastgeber Geraldo in seinem Aufnahmestudio geraten ist, als er mit einer Gruppe Skinheads diskutierte. Er hat einen Stuhl abbekommen, seine Nase ist gebrochen, und, jawohl, die ganze Show wird noch in diesem Monat in voller Länge ausgestrahlt. Wahrhaft surreal mutet an, was da jeden Abend über den Bildschirm flimmert, es hat genausowenig mit der amerikanischen Wirklichkeit zu tun wie die Wahlkampagne selbst, in der die amerikanische Flagge und ein durchgebrannter Hafturlauber die Hauptrollen übernommen haben. Die Bush-Kampagne hat jedoch eine Realität schärfer im Blick gehabt: sie hat die psychische Beschaffenheit der amerikanischen Wählerschaft besser begriffen und mit ihr zu spielen vermocht. In fünf Tagen ist alles vorbei. Nicht nur Dukakis kann froh sein.