Eine bescheidene Erinnerung an 1938

Keine Recherche, nur kurze Stichproben heute morgen: Modekaufhaus „Horn“, vom Feinsten. Nachfrage bei Abteilungsleiterinnen, ob man was vom Modeshaus „Goetz“ gehört hätte. Nein, wieso, hier war doch „Nolte“. Aber: bis 1938 war hier der berühmte Modesalon „Goetz“, er wurde geplündert und „arisiert“. Der Besitzer emigrierte. Das nicht minder berühmte „Grünfeld-Eck“, Textilhaus. Natürlich hatte man bei „Benetton“ davon nie etwas gehört. Und die Stelltafeln, die seit acht Uhr morgens dastanden, hatte auch noch niemand gelesen.

Der Kurfürstendamm in Berlin war das intellektuelle Zentrum der Stadt, vor 1933. Durch die SA-Überfälle vor und nach 1933 lernten die Berliner, daß er auch ein Ort jüdischen Lebens und jüdischer Geschäfte ist. Eine Ausstellung, nicht im geschlossenen Saal, sondern vor Ort, in der Öffentlichkeit, will daran erinnern. Die Weddinger Geschichtswerkstatt und auch ein bißchen die taz haben 32 Stelltafeln organisiert, in der bekannten Berliner Art: Privatinitiative, nicht entlohnte Arbeit und vage Zusage des Kultursenators, eventuell 12.000 DM zu bezahlen. “...als wäre es nie gewesen“, ist das Motto; die unauffälligen Stelltafeln berichten über das „Cafe Größenwahn“, über Verlagshäuser, über rituelle Reinigungsbäder, über Hebräische Klubs, Jüdische Auswanderzentralen, über „Judenhäuser“, Hausgettos, wo die Juden auf den „Transport“ warteten. Schicksale, Geschichte und der Reichtum einer vergangenen Metropole. Die Stelltafeln klagen nicht an, sie informieren. Nur wenige Adressen arisierter Geschäfte werden genannt und durch die braunen Metalltafeln hervorgehoben.

Eine Idee, so richtig wie selbstverständlich. Dennoch wollte der Bezirk erst nicht genehmigen. Nur Wahlkampf- oder Zirkuswerbung sei zulässig. Aber die empörte Öffentlichkeit brachte dann doch den Baudezernenten zur Einsicht, daß seine Untergebenen sich geirrt hätten. Wiewohl: eine schriftliche Zusage hat die Geschichtswerkstatt noch immer nicht. Aber der Streit hat zumindest unter den Ladenbesitzern Aufmerksamkeit erregt, dafür, daß „es da so eine Ausstellung“ geben soll. Doch, man soll sich interessieren, wurde gemeint. Aber die Geschichte des Ku-Dammes von heute fängt offenbar erst 1945 an.

Immerhin, wer jetzt ermüdet von Spiegelglas und Rosenquarz flanieren will, kann in Erfahrung bringen, wo Erich Mühsam wohnte, wo die Juden ihre verbliebene Habe zur Spedition anmeldeten, wo am 17.November 1943 Fritz Krieger, der in der Illegalität lebte, verhaftet wurde - zum Beispiel.

Klaus Hartung