Immer noch exotisch ...

■ ... Frauen und Kultur / Ein Plädoyer für den Kampf der Frauen um das Recht auf Information oder: Kommt Judy Chicagos BIRTH PROJECT nach Bremen

Information ist mit der Zeit eines der wichtigsten (Handels -)Güter der westlichen Welt geworden. Information ist auch Macht. Ihrer nicht mächtig, ist es fast unmöglich zu handeln, oder doch zumindest die verbrieften demokratischen Rechte wahrzunehmen.

Information ist in hohem Maße institutionalisiert und an der Kontrolle der Institutionen (Staat, Wirtschaft, Kultur, etc.) haben Frauen kaum Anteil. Diese Institutionen versuchen (aktiv oder passiv), Frauen daran zu hindern, die Macht, die mit Information verbunden ist, in Anspruch zu nehmen. Ein Beispiel dafür ist der staatliche Überfall auf das Hamburger Genarchiv und die darauf folgende Festnahme von Ursula Penselin, die ja nach fast einjähriger Untersuchungshaft ohne Anklageerhebung wieder entlassen wurde.

Wie die Institution „Presse“ mit Information umgeht, wissen wir ja: Vor ein paar Jahren kommt das Thema „Genforschung“ auf den Medienmarkt; viel zu spät natürlich, denn die Industrie forscht nicht nur: sie produziert längst abgekartetes Spiel. Seis drum, die Presse wenigstens läuft heiß, aber bald ist das Thema wieder vom Tisch. Wo es doch jeden Tag erwähnt gehört. Denn da werden Akten entdeckt und Männerskandale sind immer wichtiger als schleichende Gefahren, die ohnehin nur für das schwache Geschlecht ernsthaft gefährlich scheinen.

Frauen müssen also kämpfen um das Recht auf Öffentlichkeit und das Recht auf Information. Da reicht nicht eine ermutigende taz von Ursel Kerstein. Vor allem müssen wir neue, radikalisierte

Formen finden, mit Informationen umzugehen.

In diesem Sinne ist das Bestreben zu sehen, das BIRTH PROJEKT von Judy Chicago nach Bremen zu holen. Schon Chicagos DINNERPARTY war revolutionär, weil dieses Kunstwerk erstmalig die wichtigsten Frauen unserer Geschichte re -präsentierte. So sind auch die Darstellungen im BIRTHPROJEKT ungewöhnliche Informationen. „Gewöhnlich“ sind in der Kunst eher Geburtsdarstellungen aus männlicher Sicht, wie sie im Rahmen der unbefriedigenden Hoffman-Ausstellung „Eva und die Zukunft“ gezeigt worden sind (eine Mammutausstellung in der Hamburger Kunsthalle, die zum Thema die Frau hatte).

Aber noch viel bedeutender ist das Bestreben der Bremer Frauen, sich mit der Information BIRTH PROJEKT qualifiziert auseinanderzusetzen, denn dem Ganzen soll ein Rahmen gegeben werden, es soll in bezug zur Geschichte, vor allem aber in den Kontext des (politischen) Alltags gestellt werden. Veranstaltungen zur Gentechnologie, zum §218, zur Bevölkerungspolitik sind unter anderem geplant. Erstaunlich sind auch die Statuten des Forums: Kontroversen sollen an die Öffentlichkeit getragen werden. Und für Kontroversen wird allein die Vielfältigkeit der am Projekt beteiligten Frauengruppen sorgen.

Doch die Bremer Frauen werden nicht gehört. Ein Günter Grass hingegen wird gehört und seien seine Zeichnungen auch noch so banal. Die pseudopolitische Information, die er mitzuteilen hat, dient aber der Repräsen

tation, dessen was patriarchali sche Wirklichkeit ist: Institutionalisierte Armut. So sind die 80.000 Mark, die der Senat für die Grasschen Zeichnungen ausgegeben hat, während die 100.000 Mark für die zwei ABM -Kräfte noch nicht bereitgestellt wurden, mehr als ein kulturelles Politikum; es ist eine passive (oder aktive?) Weigerung der Bremer Institut Senat, Frauen an der Informationsgebung, sprich an der Macht, teilhaben zu lassen.

Kunst ist Kommunikation. Diese Definition ist noch sehr allgemein und müßte präzisiert werden. Meist haben die Definitionen von Kunst allerdings die Künstlerinnen eingeschränkt. Die Nadelarbeiten von Frauen galten zum Beispiel nicht als Kunst, schreibt Judy Chicago. Aus der Kunstgeschichte wurden sogar Künstlerinnen, die anerkannte Techniken (wie Ölmalerei) anwandten, herausgeschrieben.

Es ist also wichtig für die Künstlerinnen, sich mit herkömmlichen Kunstdefinitionen auseinanderzusetzen, und auch neue Kriterien zu entwickeln. Zwar ist dies nicht etwa eine Notwendigkeit, die sich auf Frauen beschränkt. Doch ist es Männern eben möglich, sich als schlechte Künstler zumindest auf dem Markt und zumindest für eine kleine Weile durchzusetzen.

Judy Chicago setzt nun Kunst mit Kreativität gleich. Diese Definition muß diskutiert werden, zum Beispiel im Rahmen der geplanten Ausstellung. Sie ist fragwürdig, wie auch Chicagos Methoden zu fertigen Kunstprodukten zu kommen, fragwürdig sind. So warf Marita Haibach, Frank

furts Frauenbeauftragte, Judy Chicago Frauenausbeutung vor. (An der DINNERPARTY hatten über 500 Frauen zum großen Teil ehrenamtlich gearbeitet).

Aber es ist eine Definition, die dennoch ernstzunehmen ist, weil sie einschließt, was den Frauen immer wieder als Zeichen ihrer Kulturunfähigkeit vorgeworfen wurde: Kreativität heißt Schaffen, ins Leben rufen, also gebären.

Ruth Noack