Bonner Krach um Fusion

Graf Lambsdorff wendet sich öffentlich gegen Bangemann / Daimler-MBB-Fusion in Frage gestellt?  ■  Von Ulli Kulke

Bonn (taz) - Über die geplante Fusion des Daimler-Konzerns mit dem Rüstungsunternehmen Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) ist es zu einem handfesten Krach zwischen den Koalitionsparteien in Bonn gekommen. Die für heute angesetzte Sondersitzung des Bundeskabinetts über die Beteiligung Bonns an dieser Fusion ist fraglich geworden. Das Thema war bereits in der ordentlichen Sitzung am vergangenen Mittwoch auf Drängen der FDP von der Tagesordnung gestrichen worden. Denn selbst nach möglicherweise revidierten Planungen Bundeswirtschaftsminister Bangemanns (FDP), die auf eine geringere Finanzbelastung des Bundes hinausliefen, verstärkt sich der Widerstand der Bonner FDP-Fraktion unter ihrem Vorsitzenden Graf Lambsdorff gegen eine solche Fusion.

Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann hat inzwischen ein neues Konzept für die umstrittene Bonner Beteiligung an der Fusion vorgelegt. Laut 'Welt am Sonntag‘ schlägt Bangemann nunmehr vor, daß die Bundesregierung das geschäftliche Risiko eines starken Dollarkursverfalls weitgehend beim Daimler-Konzern beläßt. Nach der ursprünglichen Regierungsvorlage sollten aus dem Bonner Etat Ausgleichsgelder an die Airbus-Produzenten für den Fall fließen, daß ein niedrigerer Dollarkurs beim Export weniger DM-Einnahmen bringt. Nach der angeblich neuen Version könnte Bundes-Unterstützung frühestens dann einsetzen, wenn Airbus für einen Dollar nur noch 1,60 DM oder noch weniger erhält. Dadurch würde Bonn gegenüber der ursprünglichen Planung möglicherweise rund 4,3 Milliarden sparen.

Gegen die ursprünglichen Planungen gab es an der FDP-Basis Ärger. Otto Graf Lambsdorff hatte darüber die Verabschiedung des ursprünglichen Regierungskonzeptes am vergangenen Mittwoch im Bundeskabinett platzen lassen und eine Vertagung auf eine Sondersitzung am heutigen Montag abend erwirkt, obwohl er selbst nicht an der Ministerrunde teilnimmt. Doch auch das neue Konzept Bangemanns will der neue FDP -Vorsitzende nicht mittragen. Nunmehr hegt er nicht mehr nur Zweifel an der Berechtigung des milliardenschweren Währungsausgleichs. In einem Interview kritisierte er die mögliche Marktmacht, die die geplante Fusion mit sich bringe. Sie führe dazu, daß in diesem Bereich Wettbewerbsmöglichkeiten in der BRD kaum noch übrig blieben. Auch sei beispielsweise nach der Rolle der Deutschen Bank AG (Mehrheitsaktionär bei Daimler) zu fragen, die mit der Fusion entscheidenden Einfluß erhalte.

Die zuständigen FDP-Gremien werden am heutigen Montag über Fortsetzung auf Seite 2

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die Haltung ihrer Minister in der abendlichen Kabinettssitzung beraten. Lambsdorff meinte dazu in einem Interview mit der 'Frankfurter Rundschau‘, er wolle den Beratungen nicht vorgreifen, aber er könne sich nicht vorstellen, daß sie positiv ausfielen. Es sei nunmehr Angelegenheit des Bundeskanzlers, ob dieser eine Kabinetts -Sondersitzung dann noch für erforderlich halte, wenn sich die FDP-Führung gegen eine solche Fusion entscheidet.

Auch der Betriebsrat von Daimler-Benz hat seine Bedenken gegen einen Einstieg von Daimler-Benz bei dem Luft- und Raumfahrtunternehmen Messerschmitt-Bölkow-Blohm bekräftigt. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Konzerns, Herbert Lucy, kündigte in der neuesten Ausgabe des 'Spiegels‘ an, die Arbeitnehmervertreter bei Daimler-Benz würden einer Beteiligung bei MBB nicht zustimmen. „Wenn ein Unternehmen ständig wegen seiner Rüstungsaktivitäten kritisiert wird“, meinte Lucy, „bleibt es nicht aus, daß das stärkste Standbein, unser Automobilbau, darunter leidet.“ Besondere Bedeutung wird dann der Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages am Mittwoch zufallen, der über einen Finanzbeitrag Bonns an der Fusion aus dem Haushalt 1989 befinden muß, wie hoch auch immer der ausfallen mag.