Por Dentro De Mi

Luis Di Matteo, Bandoneon-Spieler, widmet sich seit 20 Jahren dem „Tango Nuevo“ und war am Freitag in Bremen: War's das vorletzte DACAPO-Konzert?  ■  Von Rainer Köster

„Ein Wunder“ erhofften sich die MacherInnen der DACAPO -Konzerte vom Auftritt des Bandoneon-Spielers Luis Di Matteo am vergangenen Freitag. Im letzten Jahr, so hieß es in der Vorankündigung, sei nämlich der Auftritt des Mannes aus Uruguay der Auftakt für „kreative und gute Zeiten“ gewesen.

Nun droht der Veranstaltungsreihe das finanzielle Aus, ein Unding, so möchte man meinen, denn wenn auch ein Wunder nicht auszumachen war, so vermittelte der erneute, im übrigen gut besuchte Vortrag Di Matteos doch einen weiteren Eindruck davon, welch Verlust der Bremer Musikszene droht.

Di Matteo, in seiner Heimat eine Größe, widmet sich seit zwanzig Jahren dem „Tango Nuevo„, einer künstlerische stilisierten Spielart des Tango, und es heißt, er habe sich nach langer Zeit orchestraler Arbeit nun

einen Wunsch erfüllt, nämlich „Bandoneon Solo“ zu spielen.

Das Bandoneon, das seinem Aussehen nach der klassischen Vorstellung von der „Zieharmonika“ entspricht, ist ja so was wie ein musikalisches Bindeglied zwischen Deutschland und Südamerika: Um 1850 vom Krefelder Heinroch Band entwickelt, erreichte es um die Jahrhundertwende Buenos Aires und Montevideo und wurde in den 20er Jahren für den Tango entdeckt. Was Wunder, denn der melancholische Klang kommt dem oft traurigen Charakter des klassischen Tango entgegen, und 72 Tasten für 144 Töne ermöglichen eine virtuose Spielweise.

Zudem klingt es klarer, weniger ausladend als das schwülstige Akkordeon, die akustisch stets deutliche Trennung zwischen Diskant-und Baßseite ermöglicht die Umsetzung auch anspruchsvoller Kompositionen.

So hat sich auch Luis Di Matteo dem Versuch verschrieben,

das Bandoneon mit Vorstößen in den Bereich der E-Musik seinem europäischen Publikum schmackhaft zu machen.

Schon seine Präsentation ist angemessen: Ganz in Schwarz sitzt er auf der Bühne, das Instrument auf den Knien, distanziert und versunken, in seinen Ansagen höflich aber eher unpersönlich.

Vor allem seine neueren Stücke erweisen sich dann auch als weit entfernt vom einfachen, liedhaften Aufbau der Tango -Tänze, die kompositorischen Strukturen sind vielschichtig, die Melodien selten eingängig und die Rhythmen abwechslungsreich.

Doch auch der melodiöse und klassische Tango kam zwischendurch zur Geltung, und so mag die Ausdrucksbreite der „Quetschkommode“ manche Zuhörer erstaunt haben. Virtuos ließ Di Matteo zarte, melancholisch gehaltene Refrains mit heiter über rollende Baßläufe flie

ßenden Melodien und sich dramatisch entwickelnden Passagen abwechseln. Seine Vorliebe für die ernsteren Töne blieb stets deutlich, trotzdem wirkte das Bandoneon bei den einfachen, leichteren Stücken am authentischsten.

Gerade die dramatischen Kompositionen, oft wohl als Partitur konzipiert und auf Bandoneon-Soli zurechtgestutzt, ließen im Verlauf des Konzerts den Eindruck von Gleichförmigkeit aufkommen: Es bleibt abzuwarten, ob sich das Bandoneon nach dem Abebben der Tango-Welle als Solo -Instrument der E-Musik über einen engen Kreis von Liebhabern hinaus auf Dauer Freunde erobern wird.

Bremen jedenfalls ist für Luis Di Matteo bei diesem Versuch wichtiger Stützpunkt: Das „Jaro„-Label hat seine Solo-LP in ihrer Reihe „New Impressions„ aufgenommen. „Por Dentro De Mi“ heißt die dort erschienene Platte.