Hungerstreik gegen Billig-Heuern

■ Seebetriebsräte halten ihre Büros besetzt und hungern gegen Zweitregister / Schon im Dezember soll Gesetz durch den Bundestag / Fürbitt-Gottesdienste in den Hafenstädten

Im Betriebsratsbüro der Bremer Sloman-Neptun-Reederei wurden gestern abend Camping-Liegen aufgestellt und Schlafsäcke entrollt. So ausgestattet verbrachten die Betriebsräte die Nacht. Nur das Abendessen war knapp: Für Bodo Ziesemer bestand es aus einem Schluck Wasser. Denn die Betriebsräte der bundesdeutschen Reedereien befinden sich seit gestern im Hungerstreik. So wollen sie verhindern, daß es schon zum Jahreswechsel ein zweites, „billiges“ Schiffsregister gibt.

Wenn es nach der Bundesregie

rung ginge, dann wäre das Gesetz über das Zweitregister längst in Kraft. Doch die massiven Protestaktionen der Seeleute streuten Sand ins gesetzgebende Getriebe. Jetzt allerdings drücken CDU und FDP aufs Tempo: In erster und zweiter Lesung soll das Gesetz noch in diesem Monat durch den Bundestag. Im Dezember soll es dort verabschiedet werden.

Der Sinn des Zweitregisters: Bundesdeutsche Reeder brauchen ihre Schiffe nicht mehr in Panama oder Antigua anzumelden, wenn sie Seeleute aus der Dritten Welt zu Mini-Löhnen beschäftigen

wollen. Das soll auch unter „Schwarz-Rot-Gold“ möglich sein, eben nicht im „ersten“, sondern im „zweiten“ Schiffsregister.

Trotz Hungers soll die Arbeit weitergehen, auch die der Betriebsräte. An einen „richtigen“ Streik ist vorerst nicht gedacht. Hapag-Lloyd-Betriebsrat Jürgen Söncksen: „Das wäre ein politischer Streik. Sowas macht so schnell keiner.“ Hilfe bekamen die Seeleute auch von höherer Stelle: In Bremerhaven gab es gestern einen Fürbitt-Gottesdienst.

mw