„Ich habe keine Konkurrenz“

■ Sergej Bubka, weltbester Stabhochspringer, über seinen Sport, die Zukunft und Veränderungen in der UdSSR

Michail Gorbatschow hat in der Sowjetunion auch den Sport munter gemacht. Mit professionellen Fußballclubs, millionenschweren Transfers und dem Auge auf westliche Devisen öffnete sich die UdSSR nach Innen und Außen. Nach Blochin, Chidiatulin und Zavarov werden nun vom Vize -Europameister Torhüter Dassajev nach Zaragoza und Michailitschenko zu Juventus Turin wechseln, für fünf Millionen Mark. Handballer wie Gagin oder Rybakov spielen in der BRD, sowjetische Traber laufen auf bundesdeutschen Rennbahnen. In Moskau wurde jüngst der erste Golfplatz mit Pele und Mike Tyson eröffnet, ein Formel-1-Kurs ist in Planung und die Radfahrer starten im kommenden Frühjahr für einen italienischen Rennstall. Gleichzeitig kritisiert Staatstrainer Viktor Tichonow katastrophale materielle Zustände im Eishockey, 'Sowjetski Sport‘ plauderte vor Seoul aus dem Nähkästchen über finanzielle Interna sowjetischer Topathleten (Titel: Emotionen und Banknoten).

Sechs-Meter-Überflieger Sergej Bubka (Europameister '86, Weltmeister '87, Olympiasieger '88) ist derzeit mit einer achtköpfigen Gruppe der Stabhochsprungschule aus Donezk Gast der Leichtathleten des TV Wattenscheid.

taz: Sergej Bubka, welche Veränderungen sind mit der gesellschaftspolitischen Öffnung seit Michail Gorbatschow in der UdSSR festzustellen?

Bubka: Es hat sich gar nicht viel verändert. Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, die sehr langsam geschehen wird. Der Fußball ist die große Ausnahme. Es wäre nicht richtig zu folgern, daß sich unser Sport westlichen Verhältnissen annähert. Eine vergleichbare Professionalisierung wird es nicht geben. Kein Athlet wird für sich alleine verdienen. Allerdings wird mittlerweile von allen verstanden, daß wir mehr Geld verdienen wollen. Die Verteilung von Startgeldern oder Siegprämien zwischen Staat, zentalem Sportkomitee und den Athleten wird sich dabei langsam zu Gunsten der Sportler verschieben.

Bislang blieben nur 15 Prozent der Auslandseinnahmen auf dem Konto der Sportler.

Ja, und es sind auch Ansätze da, Werbe- oder Fernsehverträge auch zu Gunsten der Athleten abschließen zu können. Doch der materielle Aspekt darf nicht überbewertet werden. Glasnost bedeutet für mich vor allem stärkere Kontakte auf internationaler Ebene, mehr Austausch und Erfahrung. Strukturell wird sich wenig ändern. Nochmals: Fußball bleibt die Ausnahme. Er steht nicht mehr unter zentraler staatlicher Leitung, sondern wird sich selbst organisieren. Für die Leichtathletik ist das weder vorstellbar noch notwendig. Wichtig ist die Öffnung für die Kontakte zum Westen.

Sie sind als Erster in die Dimension der sechs Meter gesprungen. Wie weit wollen sie den Himmel noch öffnen?

Ich bin jetzt 25 und will noch vier Jahre, also bis Barcelona, aktiv bleiben. Mein Ziel liegt zwischen 6,20 und 6,30 Metern.

Sie halten den Weltrekord mit 6,06 Metern. In Seoul holten ihre Landsleute Gataullin und Jegorow Silber und Bronze. Haben sie nur sowjetische Konkurrenz?

Ehrlich und ohne Überheblichkeit: Ich glaube keine Konkurrenz zu haben. Gataullin und Jegorow haben dieses Potential von über 6,10 auch nicht.

Ihre Wettkampfleistungen liegen im Sprint bei 10,37 und im Weitsprung bei 7,81. Das ist mehr als drei Jahre her, im Training sollen Sie noch besser sein. Daneben sind Sie ein ausgezeichneter Turner. Sind dies die Voraussetzungen für einen Stabhochspringer?

Ja, das ist die Basis. Die Technik braucht Jahre, daneben müssen Sie psychisch fit sein, keine Angst vor der Höhe und vor vielen internationalen Wettkämpfen haben.

In Seoul wollten Sie mit 6,10 Metern einen goldenen Weltrekord springen.

Das hatte ich vor. Nach meinem dritten Versuch über 5,90 war ich aber fix und fertig. Wenn mich jemand im Stehen angestoßen hätte, wäre ich glatt umgefallen.

Ihr Turntrainer Alexander Salamachin hat einmal gesagt, Sie hätten auch ein erstklassiger Kunstturner werden können.

Ich muß lachen, wenn Sie mich daran erinnern. Natürlich ist diese Begabung ein Glück für den Stabhochsprung. Das Eindringen des Stabes, das Hochgehen und die Phasen vor und beim Passieren der Latte verlangen eine gute turnerische Ausbildung. Ich sollte in der Grundschule mit sieben Jahren in eine Turnschule. Der Weg von der Schule bis zur Turnhalle brauchte zwanzig Minuten zu Fuß, das war mir viel zu weit, ich bin da kein einziges Mal hingegangen.

Wie sind Sie dann zum Stabhochsprung gekommen?

Durch puren Zufall. Mein Bruder Wassilij hatte damals, ich war neun oder zehn, einen Freund in der gleichen Straße, der machte Stabhochsprung, da bin ich einfach mal mit. Der Trainer hat wohl mein Talent erkannt. Dabei bin ich bis heute ein Freund sämtlicher Ballspiele. Ich war damals der schnellste im Fußball, und bei Kloppereien der schnellste im Weglaufen.

Und Sie sind ein Freund von Dynamo Kiew?

Und wie, ich liebe technischen Fußball. Manchmal steht Fußball in meinen Trainingsplan. Am liebsten aber spiele ich Tennis.

Und was machen Sie nach 1992?

Ich werde Stabhochsprungtrainer, das ist keine Frage. Die Erfahrung und neue Ideen will ich weitergeben.

Können Sie sich vorstellen, im Ausland zu arbeiten?

Das ist mein größter Wunsch, konkret in der BRD, hier in Wattenscheid.

Interview: Ernst Thoman