„Israel kann nicht alles haben!“

Die Arbeiterpartei zwischen großer Koalition, Opposition und internem Machtkampf  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

„Sieben Jahre in der Opposition (bis 1984) haben die Arbeiterpartei keineswegs gesünder gemacht“ - Israels Verteidigungsminister Rabin warnt seine Parteifreunde vor dem Glauben an einen Gesundbrunnen auf den Oppositionsbänken.

In der Arbeiterpartei brodelt es. Die Parteiführer haben die Wahlniederlage nicht verschmerzen können. Während die „Tauben“ mit Abba Eban - dem früheren Außenminister - an der Spitze von Shimon Peres ein festes Versprechen verlangen, daß die Arbeiterpartei keiner „nationalen“ Koalition mit dem Likud beitreten wird, fordern Leute am rechten Flügel, wie Jitzhatz Rabin, daß nicht nur konkrete, d.h. personelle Konsequenzen gezogen werden, sondern daß gleichzeitig auch Verhandlungen mit religiösen Parteien geführt werden müßten.

Wenn wirklich keine „kleine Koalition“ mit der Arbeiterpartei an der Spitze möglich sein sollte, müsse man auch eine große Koalition mit dem Likud im Auge behalten. Peres und Rabin wissen nur zu gut, daß sie später kaum noch eine Chance haben, ihre Partei zurück an die Macht zu führen und sie dort an höchster Stelle zu vertreten. Eine jüngere Führerschicht drängt an die Macht. Gleichzeitig kommt erneut die alte Rivalität zwischen Rabin und Peres zum Ausbruch. Likuds Ministerpräsident Shamir hat nach den Wahlen angedeutet, daß er Rabin auch weiter gern als seinen Verteidigungsminister sehen würde, und Rabin hat diesen Wink aufgegriffen. Auch die USA ist an einer Beteiligung der Arbeiterpartei bei einer neuen Koalition, die von Shamir gebildet wird, interessiert.

Der Generalsekretär der Arbeiterpartei, Uzi Baram, will unter keinen Umständen, jetzt in eine Koalition mit Likud und den Orthodoxen und extremen Rechten: Die Mehrheit in der Partei will, daß wir jetzt in die Opposition gehen und unsere Führung neu aufbauen, damit sie das Vertrauen der Öffentlichkeit gewinnt - eine junge Führung, mit der sich das Volk identifizieren kann.“

Uzi Baram ist der Ansicht, daß der Likud in einer Koalition mit den rechts-klerikalen Partnern den Wählern beweisen wird, daß seine Politik undurchführbar ist und keinerlei Lösungen der Probleme bringen kann. Nur ein solches Fiasko könnte das Volk überzeugen, daß Israel nicht „alles haben kann“: die besetzten Gebiete und Frieden, permanenten Kriegszustand und wirtschaftliche Entwicklung, Ablehnung internationaler Friedensbemühungen und eine Normalisierung der Auslandsbeziehungen.

Gegen Ende der Woche will Baram die zentralen Institutionen der Arbeiterpartei zu einer großen Lagebesprechung einberufen. Inzwischen ist auch Staatspräsident Chaim Herzog (Arbeiterpartei) aktiv geworden. Noch bevor er die Parteien zu Beratungen mit ihm über den Kandidaten für Regierungsbildung empfangen hat, versucht Herzog eine Absprache zwischen Likud und Arbeiterpartei über eine „große Koalition“ (ohne Parität und Rotation) zu erzielen.

Shamir wäre als Premierminister einer solchen Regierung eingeplant, an der sich möglichst „alle zionistischen Parteien“ beteiligen sollten. Allerdings verkündete Shamir, daß er eine breite Koalition mit der Arbeiterpartei nur unter Rabins Führung begrüßen würde.