Der Paragraph 129a macht's möglich ...

■ Aus „Guten Tag“ und „Mach's gut“ wird Unterstützung einer terroristischen Vereinigung / Eine durchaus realistische Satire

Der Bundesgerichtshof in NStR, S.777/88: Leitsatz:

Ein Rechtsanwalt, der seinen wegen Beteiligung an einer Terroristischen Vereinigung (§129aStGB) in Untersuchungshaft einsitzenden Mandanten bei einem Mandantenbesuch in der Haftanstalt mit „Guten Tag“ begrüßt und sich von ihm mit „Mach's gut“ verabschiedet, macht sich seinerseits nach §129aStGB strafbar.

Es ist von einem deutschen Rechtsanwalt zu erwarten, daß er das Urteil eines Oberlandesgerichts hinnimmt. Eine dennoch eingelegte Revision ist unzulässig.

Der Angeklagte ist Rechtsanwalt in Meppen. Er verteidigte im Sommer des Jahres 1987 den wegen Mitgliedschaft in einer Terroristischen Vereinigung in der Untersuchungshaftanstalt F. einsitzenden Benno H. Anläßlich eines Besuches seines Mandanten in der Haftanstalt begrüßte er nach den Feststellungen des OLG seinen Mandanten mit den Worten „Guten Tag“. Bei Beendigung seines Besuches verabschiedete er sich mit „Mach's gut“.

Das Oberlandesgericht verurteilte den Angeklagten wegen Unterstützung einer Terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Von einer Strafaussetzung zur Bewährung sah es ab.

Die Revision des Angeklagten wendet sich mit der Sachrüge dagegen, die diesem zur Last gelegten Äußerungen als Handlung im Sinne des §129aStGB zu werten. Er macht geltend, es handele sich lediglich um „umgangssprachliche Floskeln“, die keinerlei Bezug zur Tat seines Mandanten hätten, zumal dieser in der Haft, wie die Revision sich ausdrückt, „nun wirklich nichts Terroristisches machen könne“.

Auch sei sein Mandant als Untersuchungshäftling noch nicht verurteilt gewesen, sodaß er von seiner „Unschuld im Sinne von Artikel6 der Menschenrechtskonvention Unschuldsvermutung - hätte ausgehen dürfen.

Die Revision des Angeklagten blieb mangels Zulässigkeit erfolglos. Aus den Gründen:

Das Urteil des Oberlandesgerichts läßt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Zu Recht wertet es in seiner Entscheidung die von dem Angeklagten nach den Feststellungen gegenüber seinem Mandanten gemachten Äußerungen als Unterstützung einer Terroistischen Vereinigung im Sinne des §129aStGB. Es ist allgemein bekannt, daß für einen Terroristen, der den gewaltsamen Umsturz unserer freiheitlichen Gesellschaftsordung betreibt, ein Tag nur dann „gut“ sein kann, wenn er den Täter seinen Zielen mit Hilfe seiner (terroristischen) Mittel ein Stück näher bringt. Auch das zum Abschied verlautete „Mach's gut“ ist in diesem Zusammenhang nur in dem Sinne zu verstehen, daß es sich als ermutigende, psychologisch wirkende Aufforderung zu weiterem terroristischen Treiben darstellt.

Das OLG hat auch rechtsfehlerfrei der Einlassung des Angeklagten keine Bedeutung beigemessen, es habe sich bei den von ihm gebrauchten Worten nur um „leere Floskeln ohne inhaltliche Bedeutung“ gehandelt, indem es feststellte, daß gerade von diesem Angeklagten aus seiner Praxis bekannt ist, daß er kein unbedachtes Wort tut. Er pflegt seine Ausdrücke zu wägen, zumal gerichtsbekannt ist, daß in seinen Kreisen leere Floskeln verpönt sind. Das OLG hat ohne Denkverstoß festgestellt, daß in einer solchen Situation der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm, daß sein Mandant seine Worte als psychologische Ermutigung verstand. Mit Recht führt die Entscheidung aus, daß es dabei bedeutungslos ist, ob der Mandant des Angeklagten tatsächlich an der Fortsetzung seiner terroristischen Handlungsweise gehindert war, weil selbstverständlich jede Ermutigung geeignet ist, einem Inhaftierten die Haft erträglicher zu machen und damit seine Bereitschaft zur Umkehr von seinem verbrecherischen Wege weniger wahrscheinlich wird.

Auch der Einwand der Revision, der Mandant des Angeklagten sei noch nicht verurteilt gewesen, sodaß noch die Unschuldsvermutung des Artikel6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte für ihn „gestritten“ habe, folglich noch kein Anlaß für den Angeklagten als seinen Verteidiger bestanden habe, ihn als Terroristen zu behandeln, kann nicht verfangen:

Die Revision verkennt, daß die Vorschrift des Art.6MRK nicht eng und formal ausgelegt werden darf, zumal sie nicht immer im deutschen Rechtskreis verwurzelt war. Sie ist vielmehr im Lichte ihrer wohlverstandenen Zielsetzung zu sehen, die keineswegs darin liegt, Beschuldigte reinzuwaschen. Immerhin hat ein Strafsenat eines deutschen Oberlandesgerichts bei Erlaß des Haftbefehls den dringenden Tatverdacht bejaht, sodaß nur noch ein sogenanntes „Moabiter Rechtswunder“ einer Verurteilung hätte im Wege stehen können, was dem Angeklagten als Rechtsanwalt zweifellos bekannt war. Darüberhinaus schützt die Vorschrift des §129aStGB ein so hohes Rechtsgut, daß demgegenüber eine rein formale Rechtswohltat wie die Unschuldsvermutung hintanzustehen hat.

Auch die Angriffe der Revision gegen die Strafzumessung gehen fehl. Keinen rechtlichen Einwänden begegnet die Verhängung einer Freiheitsstrafe. Ohne Rechtsfehler wertet das OLG die Tatsache, daß er unvorbestraft ist, nicht zugunsten des Angeklagten, indem es feststellt, daß dieser Umstand nicht seinem Willen zur Rechtstreue entsprang, sondern seiner juristischen Geschicklichkeit. Es ist nicht einzusehen, warum ein krimineller Hilfsschüler strafrechtlich schlechter behandelt werden soll als ein akademisch gebildeter Jurist, der gelernt hat, sich nicht wie jener tumb in jeder Gesetzesschlinge zu verfangen. Zu Recht hat das OLG dem Angeklagten eine Strafaussetzung zur Bewährung versagt. Zwar liegen rein formal die Voraussetzungen, wie die Urteilsgründe ausführen, vor, doch verlangt das Prinzip der Verteidigung der Rechtsordnung eine Verbüßung der gegen ihn erkannten Freiheitsstrafe. Dies insbesondere deshalb, weil zur erwarten ist, daß, wie üblich, sich eine große Zahl von Sympathisanten bei Strafantritt mit dem Angeklagten solidarisieren wird, die dann ihrerseits wegen Unterstützung einer Terroristischen Vereinigung verfolgt werden können, was die staatlichen Behörden bei der Austrocknung dieses Sumpfes unterstützen dürfte. Dies ist eines der höchsten Ziele staatlicher Strafverfolgung.

Im übrigen steht der Revision des Angeklagten die mit seiner Verkündung eingetretene Rechtskraft die angefochteten Urteils entgegen. Zwar ist nach dem Wortlaut des §333StPO gegen erstinstanzliche Urteile der Oberlandesgerichte die Revision gegeben. Indes darf diese Vorschrift nicht eng und formal ausgelegt werden. Dem Angeklagten stünde gegen das Urteil des OLG ohnehin nur die Rüge der Rechtsverletzung zu. Der Angeklagte als Organ der Rechtspflege wird jedoch nicht im Ernst behaupten können, daß dies bei einem deutschen Oberlandesgericht der Fall sein könne, zumal dies den Vorwurf zum Inhalt hätte, zumindest objektiv den Tatbestand der Rechtsbeugung verwirklicht zu haben. Damit bestünde die Gefahr, daß der Angeklagte seine Rechtsfeindlichkeit unter mißbräuchlicher Ausnutzung der Rechtsstaatlichkeit weiter betreibt. Dem kann der Bundesgerichtshof keinesfalls seine Hand leihen.

Vorausgesehen und eingesandt von Rechtsanwalt Nikolaus Fraxini, Wasserburg.

Klaus Eschen, Rechtsanwalt und Notar. Vorsitzender des Republikansichen Anwaltsverein