Massive Kritik an türkischer Justiz

■ Nach Festnahmen von Beobachtern im Dev-Yol-Prozeß in Ankara türkischer Botschafter ins Auswärtige Amt bestellt / Den vier festgenommenen Griechen wird PKK-Nähe vorgeworfen

Hannover (taz) - Auf die Verhaftung einer sechsköpfigen Delegation von niedersächsischen Parlamentariern und Journalisten am Freitag in Ankara hat jetzt auch das Auswärtige Amt in Bonn reagiert. Der türkische Botschafter in Bonn wurde am Montag morgen ins Auswärtige Amt bestellt. Nach Angaben eine Außenamtssprechers teilte man ihm dort „die Besorgnis der Bundesregierung über den Vorfall“ mit. Das Auswärtige Amt bat über den Botschafter die türkische Regierung „um eine Unterrichtung über den Ablauf der Vorgänge“ in Ankara.

Die Mitglieder der sechsköpfigen Delegation haben gestern in Hannover vor der Presse noch einmal geschildert, wie die SPD-Landtagsabgeordnete Heidi Alm-Merk und der als Übersetzer tätige Reinhard Seyler im Polizeigewahrsam in Ankara mit Faustschlägen mißhandelt wurden. Die Delegation hatte bereits kurz nach ihrer Freilassung am Samstag Bundespräsident von von Weizsäcker gebeten, sich für die vier ebenfalls in Ankara im Dev-Yol-Prozeß verhafteten Griechen einzusetzen, die sich immer noch in türkischer Haft befinden.

Den vier giechischen Delegationsmitglieder, so sagte der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann gestern, würden inzwischen Verbindungen zur Kurdischen Arbeiterpartei vorgeworfen. Bei der deutschen Delegation beschlagnahmte Unterlagen, wie ein Exemplar des PKK-nahen 'Kurdistan -Infos‘, würden inzwischen von der türkischen Polizei den verhafteten Griechen untergeschoben. Zunächst hatte es geheißen, die vier Griechen, die während des Prozesses politische Parolen gerufen und ein Transparent entrollt haben sollten, müßten sich am Montag vor Gericht verantworten. Gestern wurde Journalisten jedoch lediglich erklärt, daß die vier für die Dauer der Untersuchungen nicht freigelassen würden. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Ganseforth, die auch dem Gerichtsverfahren gegen die Mitglieder der Dev Yol beiwohnte, bezeichnete den Prozeß bei dem für 43 Angeklagte die Todesstrafe gefordert wird als völlig absurd. Dies habe nicht zuletzt auch die Überreaktion der Prozeßführung gezeigt.

ü.o.