Nicaragua-betr.: Spendensammlung für Bluefields

betr.: Spendensammlung für Bluefields

Der Hurrikan Joan hat nicht nur Nicaragua verwüstet, sondern auch der taz eine kleine, aber feine Werbekampagne beschert. Als fortschrittliche Kraft will die taz ihren LeserInnen ein vorweihnachtliches Bildungserlebnis ermöglichen, welches sich selbst bei täglicher Lektüre dieser Zeitung sonst nur selten einstellt: sie sollen für die kaputten Schulen in Bluefields spenden, auf ein eigens dafür eingerichtetes taz -Konto. Das soll selbstverständlich „nicht einfach neben den bereits eingerichteten Spendenkonten zusätzlich“ stehen. Deshalb haben sich die schlauen tazlerInnen auch die höhere Weihe des nicaraguanischen Vizepräsidenten Ramirez besorgt, der den taz-LeserInnen vorschlagen durfte, für den Wiederaufbau der Schulen in Bluefields zu spenden. Die taz hatte ihm ein Angebot gemacht, welches er einfach nicht ablehnen konnte...

Wir wissen nicht, wieviele Abos die taz-StrategInnen diesmal zu verlieren glaubten, wenn sie nicht mutig ihr über der Solidaritätsbewegung stehendes Gehabe in die Waagschale werfen würden. Wir wissen aber, daß Presseerzeugnisse oft nicht wegen der Inhalte, sondern wegen der Auflagenhöhe gedruckt werden. Die taz argumentierte uns gegenüber - wie schon in der leidigen Waffenkonto-Debatte - recht großkotzig mit „dem großen Einfluß der Zeitung bei ihren Lesern“ und dem daraus entstehenden Spendenfluß... Unsere freundliche Bitte im Vorfeld der Veröffentlichung, diesen Einfluß doch einfach für die Spendensammlungen der bereits seit Jahren in der Solidaritätsbewegung arbeitenden Organisationen zu nutzen, blieb leider ungehört.

Unser Aufruf sollte dann wenigensten gratis - als Spende der taz sozusagen im redaktionellen Teil abgedruckt werden. Diese bereits zugesagte Selbstverständlichkeit kam den Nicaragua-Fans bei der taz allerdings innerhalb von 24 Stunden wieder abhanden, so daß wir locker zweieinhalb Tausend Mark für die Anzeige hinblättern durften. Dieses Geschäft ist auch ein Grund dafür, daß die taz dafür bürgen kann, das auf ihr Konto eingehende Geld „ohne jeden Abzug dem Spendenzweck zuzuführen“.

Den taz-LeserInnen können wir schon jetzt mitteilen, daß unsere Konten für die Nicaragua-Solidarität auch dann noch bestehen, wenn die taz längst zur nächsten PR-Aktion übergegangen sein wird.

medico international e.V., Frankfurt, informationsbüro nicaragua e.V. Wuppertal

Keine Katastrophe und kein menschliches Leid ist zu groß, als daß sie deutschem Kleingeist nicht als Munition für verbissene Grabenkämpfe dienen könnte. Aber vermutlich sind den Opfern des Hurrikan die 203.000 DM, die die taz -LeserInnen bis zum 7.November gespendet haben und die - die Annahme sei gestattet - zum großen Teil wohl nicht auf andere Konten geflossen wären, wichtiger als billige Polemik, die auf ein instrumentelles Verständnis von Solidarität verweist.

Der Klarstellung halber: In derselben taz-Ausgabe (26.10.), in der wir zum erstenmal das Konto unserer Spendenaktion nannten, veröffentlichten wir - ungebeten, aber für uns eine Selbstverständlichkeit (Seite 6) - auch die uns just an diesem Tage bekannt gewordenen Konten von medico international und des Informationsbüro Nicaragua. Zwei Tage später veröffentlichten wir noch einmal alle Hilfskonten. Drei Tage später erschien auf einer Drittelseite die erwähnte Anzeige - bezahlt (mit einem Solidaritätsrabatt der taz), nachdem die taz eine kleinere Anzeige umsonst angeboten hatte.

Thomas Schmid (Lateinamerika-Redaktion)