Weimar sucht Geheimschutz

Wie sich das hessische Umweltministerium gegenüber dem Bonner Atom-Ausschuß stur stellt  ■  Aus Bonn Charl. Wiedemann

Im hessischen Umweltministerium ist der Geheimschutz eine relative Sache. Weil der Bonner Atom-Untersuchungsausschuß die Akten über die ominösen Genehmigungsverfahren für die Hanauer Nuklearbetriebe haben will, soll der gigantische Papierberg plötzlich als geheimschutzbedürftig eingestuft werden. Bei einer „Überprüfung der angeforderten Akten“, so schrieb Weimars Staatssekretär Popp jetzt an den Bonner Ausschußvorsitzenden, kam den Hessen die Erkenntnis, daß ein „wesentlicher Teil“ der Firmenunterlagen unter das Betriebs und Geschäftsgeheimnis falle. Der „Zusammenhang aller Unterlagen“ führe nun „zwangsläufig“ dazu, daß auch die behördlichen Vorgänge „in ihrer Gesamtheit schutzbedürftig“ seien. Die Schutzbedürftigkeit wächst offensichtlich mit der räumlichen Entfernung von Wiesbaden: Dort waren die Alkem und Nukem-Unterlagen bisher nicht als Verschlußsache eingestuft, auch in den Aktenverzeichnissen, die die Bonner aus Hessen bekamen, war davon keine Rede gewesen.

Würde dem forschen Ansinnen des Ministers gefolgt, müßte die Geheimschutzstelle des Bundestags anbauen - oder die Akten könnten überhaupt nicht gesichtet werden, was vermutlich der Zweck des Manövers ist.

Weimar hat sich schon seit Monaten den Ruf erworben, dem Untersuchungsausschuß Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Mal wird der Arbeitsaufwand, mal werden die Kopierkosten oder die schwierige „Abgrenzbarkeit“ von Akten ins Feld geführt, um die Herausgabe von Unterlagen zu verzögern. Daß man sich dabei lieber mit den beschuldigten Atom-Betrieben als mit dem SPD-geführten Bonner Ausschuß verständigt, gab Regierungssprecher Andreas Koch, Weimars persönlicher Referent, sogar schriftlich zu: Aus Akten seien genau die Teile „entfernt“ worden, „die sich noch in der Abstimmung über die Herausgabemodalitäten mit den betroffenen Firmen“ befunden hätten.