Akte Penselin geschlossen

OLG Düsseldorf läßt § 129a-Anklage nicht zu / Keine Haftentschädigung / Ingrid Strobl weiter in Haft  ■  Aus Hamburg Kai von Appen

Die Anklage der Bundesanwaltschaft gegen Ulla Penselin ist vom 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht zugelassen worden. Die Hamburger Gentechnologie-Kritikerin soll sich wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ (§ 129a) verantworten. In dem Ablehnungsbeschluß heißt es, weitere Ermittlungen des Bundeskriminalamtes (BKA) und der Bundesanwaltschaft (BAW) hätten die entlastenden Aussagen der Beschuldigten während des letzten Haftprüfungstermins im August bestätigt. Damals schon hatte der Senat des Oberlandesgerichts (OLG) die sofortige Aussetzung der Untersuchungshaft angeordnet.

Mit dieser Entscheidung hat die bundesdeutsche Kriminalisierungsstrategie von Gentechnologie-KritikerInnen

-die mit der spektakulären Großrazzia vom 18. Dezember letzten Jahres einen Höhepunkt erlangte - eine empfindliche Niederlage erlitten. Damals durchsuchten BeamtInnen des BKA bundesweit 33 Wohnungen und Frauenprojekte. Sie beschlagnahmten umfangreiches Material zum Thema Gentechnologie und Reproduktionmedizin. Gegen die Hamburger Setzerin Ulla Penselin und die Kölner 'Emma'-Journalistin Ingrid Strobl beantragte die BAW nach § 129a Haftbefehl wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der „Roten Zora“. Beide wanderten auf Weisung des Bundesgerichtshofs in Untersuchungshaft.

Während Ingrid Strobl in der Anklageschrift vorgeworfen wird, durch den Ankauf eines Weckers in einen Anschlag auf die Lufthansa-Zentrale involviert zu sein, sollte Ulla Penselin in die Anschlagsserie auf die Adler-Werke verwickelt gewesen sein. Fortsetzung auf Seite 2

Die „Rote Zora“ hatte sich zu Brandanschlägen auf verschiedene Adler-Filialen bekannt. In dem Bekennerschreiben wurde die Ausbeutung südkoreanischer Frauen durch das Unternehmen angeprangert.

Die BAW stützte ihre Indizienkette auf eine umfangreiche Observation der Hamburger Setzerin. Danach habe Ulla Penselin angeblich an „zwei konspirativen Treffen“ in Osnabrück und Telgte teilgenommen. Dort soll nach Auffassung der BAW über die Vorbereitung der Adler-Anschläge diskutiert worden sein. Daß dem nicht so war, machte Ulla im letzten Haftprüfungstermin am 19.August deutlich. In einer Einlassung machte sie klar, daß es sich bei den inkriminierten Treffen lediglich um Redaktionskonferenzen der Gentechnologie-Zeitschrift 'e.Colibri‘ gehandelt hatte. Außerdem konnte wohl kaum von Konspirativität gesprochen werden, da die Hamburgerin - trotz Kenntnis über die laufende Observation - bei Übernachtungen immer ihren richtigen Namen angegeben hatte. Diese Darstellung überzeugte die Oberlandesrichter, die den Haftbefehl aufhoben. Ob die Bundesanwaltschaft vor dem Bundesgerichtshof gegen die OLG-Klageabweisung Beschwerde einlegen wird, ist derzeit noch unklar. BAW-Sprecher Alexander Praechtel: „Wir müssen uns erstmal die Gründe angucken und dann in aller Ruhe überlegen.“ Trotzdem lehnt es das OLG ab, der Setzerin für die fast achtmonatige Untersuchungshaft eine Entschädigung zu gewähren. Die Richter begründen dies damit, daß die Setzerin sich „unvernünftig“ verhalten habe, indem sie versucht hatte, ihre unbeliebten Beschatter abzuschütteln, statt diese anzusprechen.