Mit 15 Jahren in U-Haft

■ Keine angemessene Betreuung für den jüngsten Bremer Untersuchungshäftling / Tatvorwurf: versuchter Mord / Alle einig gegen Knast für Jugendliche

Anfang Oktober wurde Robert R. verhaftet. Obwohl er erst 15 Jahre alt ist, sitzt er seitdem als jüngster Häftling in Bremer Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, in Bremen eine gehbehinderte 76jährige Frau überfallen und gewürgt zu haben. Der Fall ging breit durch die Bremer Presse. Robert R. hat die Tat bisher abgestritten.

Er paßt in das herkömmliche Klischee krimineller Karrieren: Mit 12 Jahren den ersten Überfall mit einer Eisenstange auf eine alte Frau, dann Diebstähle, Einweisung in ein Kinderheim, dort mehrmals abgehauen. Zusammen mit den anderen Häftlingen nimmt er jetzt täglich an Schulungsveranstaltungen teil. Abends wird Sport getrieben, oder es kann in einer Werkstatt gebastelt werden. Die notwendige therapeutische Betreuung

findet allerdings nicht statt.

Seit einiger Zeit gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft, JugendrichterInnen und Einrichtungen der Jugendhilfe. Und es gibt gemeinsame Bemühungen, Jugendliche vor Untersuchungshaft zu schützen. Auch wenn es erste Erfolge gegeben hat - so richtig zufrieden ist niemand. Allein im letzten Jahr gab es in der Jugendvollzugsanstalt Bremen-Blockland durchschnittlich 13 Untersuchungsgefangene im Monat.

Oberstaatsanwältin Helga Bonarenz-Jaeckel bezeichnet die Untersuchungshaft für Jugendliche als „allerletzten Weg“. Insbesondere für Jugendliche sei die Isolation ein Problem die Selbstmordrate bei jugendlichen Häftlingen sei besonders hoch. In Fall Robert R. sei die Untersuchungshaft aber nicht zu vermei

den gewesen. Nach Angaben der Oberstaatsanwältin hatte sich das Kinderheim im Kreis Rothenburg - dort wohnte Robert R. vor seiner Verhaftung - geweigert, den Tatverdächtigen erneut aufzunehmen. Und Alternativen gibt es nicht.

Seitdem der „Ellener Hof“ geschlossen wurde, gibt es in Bremen kein Kinder- und Jugendheim mit geschlossener Abteilung mehr. Und diese sind von den zuständigen PolitikerInnen auch nicht gewollt. „Hier darf es nicht um Einsperren und Bestrafen gehen, sondern um Sozialisierung der Jugendlichen“, so die zuständige Mitarbeiterin des Amtes für soziale Dienste, Spieker. Diskussionen über Alternativen gibt es schon seit längerer Zeit. So wird eine Ausweitung der pädagogischen Betreuung in den Kinderheimen für erforderlich gehal

ten. Auch gibt es positive Erfahrungen mit Einzelbetreuungen von Jugendlichen in ihren eigenen Wohnungen. Aber hierfür fehlt das Geld.

Zum 20. Jahrestag der Jugendvollzugsanstalt Blockland soll auch im Knast selber die Haft für Jugendliche kritisch hinterfragt werden. So soll es zum Beispiel am Freitag eine Veranstaltung mit Wissenschaftlern zum Thema geben.

Robert R. soll in den nächsten Tagen in die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Landeskrankenhauses Ost eingewiesen werden. Dort soll seine Schuldfähigkeit geprüft werden. Und dann werden Jugendrichter über seinen weiteren Lebensweg entscheiden - und damit möglicherweise auch über die Fortsetzung oder das Ende einer kriminellen Karriere.

oma