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Erbaulicher Jubiläumskult

■ Von kranken Pferden, den Pionierleistungen der FU-Zahnkliniken - anläßlich der baldigen 40-Jahresfeier der FU werden JournalistInnen mit Pressemitteilungen überschwemmt

Große Ereignisse werfen ihre Pressemitteilungen voraus. Damit „es“ nicht etwa zwischenzeitlich in Vergessenheit gerät, muß mein Postbote nun seit Wochen schriftliche Erinnerungsschreiben in meinen Briefkasten plazieren. Die Lektüre der 40-Jahre-FU-Presse-Sondermitteilungen stellt, man kann es nicht anders sagen, ein erbauliches und zugleich belehrendes Vergnügen dar.

Zum Beispiel: die engen Verbindungslinien zwischen der FU Berlin und der Universität von Prag waren mir bis dahin entgangen. Dabei ist alles so offensichtlich: Beide Universitäten wurden in einem Jahr gegründet, dessen Zahl mit acht aufhört und in der Mitte das Wörtchen „vierzig“ enthält. Beide Jahreszahlen sind nicht durch acht teilbar. Moment: Ihr kommt nicht mit? Die Lösung: 1948 wurde die FU gegründet und genau 600 Jahre davor - 1348 - die Prager Uni. Es soll gefeiert werden, was die Zahlen hergeben - wie das spätestens seit B-sieben-fünf-null und E-acht-acht in dieser Stadt so üblich ist.

Dank Claudius Habbich, dem FU-Spezialbeauftragten für die Verwertung des Doppeljubiläums Prag-Berlin, weiß ich allerdings noch mehr: „Beide Universitätsgründungen sind durch Merkmale gekennzeichnet, die sie jeweils hervorheben. Gilt die Errichtung der Universität in Prag im Schnittpunkt von Polen, Sachsen, Bayern, Böhmen, Mähren und Österreich als erste Universitätsgründung auf deutschem Reichsboden, so ist die Errichtung der Freien Universität Berlin die erste Universitätsgründung in Deutschland nach 1945 - ein Datum, das uns vielfach, in unterschiedlicher Interpretation, eine Cäsur bedeutet.“

Da muß man erst drauf kommen. Ich habe es natürlich schon immer geahnt, daß solche historischen Parallelen von immenser Bedetung sind, bin ich doch selbst in dem Jahr geboren, in dem Marilyn Monroe starb, und unsere Namen enthalten beide kein X und kein Zet.

Leider kann ich nicht alles wahrnehmen, was Claudius Habbich mir anbietet. Samstag lädt er mich zum Tag der Offenen Tür in den Fachbereich Veterinärmedizin, will mir kleine und große Haustiere, kranke Pferde und Wiederkäuer zeigen. Am 18.Oktober werde ich über die FU als Arbeitgeber informiert. Es folgt die Geschichte der FU-Kliniken, die Härten der Pionierzeit, ihre Dienstleistungen (Teil 3: Die Zahnkliniken). Diese Woche werde ich über den Bücherbestand der FU aufgeklärt (6 Millionen Bücher). Über Informationsmangel kann also nicht geklagt werden. Aber manchmal frage ich mich doch, warum ... 40 Jahre, was gibt es denn da eigentlich zu ... aber halt, da kommt gerade der Briefträger, ... die Pressemitteilung muß ich erst noch lesen ...

Frauke Langguth

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