„Ausnahmezustand in Niedersachsen“

Hannover (taz) - Die Skandalchronik der Regierung Albrecht bestimmte gestern die Debatte über den Antrag auf „Selbstauflösung“ des niedersächsischen Landtages, den die SPD in das Landesparlament eingebracht hatte. „Mit dem Ausnahmezustand in der Landespolitik“ begründete SPD -Oppositionsführer Schröder den Antrag auf Neuwahlen in Niedersachsen, über den der Landtag am 21. dieses Monats abstimmen wird und für dessen Annahme eine Zweidrittelmehrheit erforderlich wäre.

Das Sündenregister, das Schröder dem Ministerpräsidenten Albrecht vorhielt, reichte von der desolaten Finanzsituation des Landes über die sterbende Nordsee, das Ozonloch, die Arbeitslosigkeit bis hin zu den niedersächsischen Skandalen und Affären der letzten Zeit bei Verfassungsschutz und Polizei. Der CDU-Landesvorsitzende und Ex-Innenminister Wilfried Hasselmann, so sagte Schröder, habe vor dem Spielbank-Untersuchungsausschuß „vorsätzlich die Unwahrheit gesagt“. Nur die Tatsache, daß Hasselmanns Aussage vor dem Ausschuß noch nicht abgeschlossen sei, schütze den CDU -Landesvorsitzenden vor dem Staatsanwalt. Nicht mehr Ernst Albrecht, sondern anonyme Kungelkreise in den Fraktionen von CDU und FDP bestimmten inzwischen die Richtlinien der niedersächsischen Politik, bewertete Schröder die jüngsten Personalentscheidungen im Land. Die Stimme, auf die sich Albrechts Mehrheit stütze, sei z.B. die Stimme des rechtskräftig wegen Wahlfälschung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt verurteilten CDU-Abgeordneten Kurt Vajen. Erwartungsgemäß kündigte Ernst Albrecht in seiner Erwiderung an, daß die CDU-Fraktion die Landtagsauflösung ablehnen werde. Die Spielbankaffäre bezeichnete Albrecht als alleinigen Skandal des Ex-Spielbankchefs Felsenstein. Der Grüne Abgeordnete Trittin: „Nur Neuwahlen bieten die Chance für einen Neuanfang in Niedersachsen.“

Jürgen Voges