Morddrohungen gegen Rumäniendeutsche

■ In West-Berlin lebende SchriftstellerInnen sollen politische Aktivitäten gegen Ceausescus Regime einstellen / Todesdrohungen kamen per Post / Vermutlicher Absender: Ceausescus Geheimdienst „Securitate“

Berlin (taz) - Vier in West-Berlin lebende rumäniendeutsche SchriftstellerInnen werden mit dem Tode bedroht. Die Morddrohungen kamen am Anfang dieser Woche per Post. Helmuth Frauendorfer, William Totok, Hertha Müller und Richard Wagner haben nach ihrer Aussiedlung mit Aktionen und Texten

-auch in der taz - die westliche Öffentlichkeit über das Ceausescu-Regime aufgeklärt.

In den der Redaktion vorliegenden Drohbriefen werden die SchriftstellerInnen ultimativ aufgefordert, ihre politische Tätigkeit einzustellen. Das Schreiben an Helmuth Frauendorfer schließt: „Falls Du aber im Guten nicht verstehen willst, werden wir Dich umbringen, wenn Du es am wenigsten erwartest! Hör auf mit diesem Spiel, wenn Dir das Leben lieb ist!“ Der in allen vier Fällen einheitliche Briefkopf (siehe Ausriß) zeigt das Motto: „Nur das Schwert kann entscheiden!“ und als Absender: „Die Söhne Avram Jancus - patriotische und radikale Organisation des rumänischen Exils“. Nachforschungen bei einschlägig informierten Stellen ergaben jedoch, daß eine derartige Organisation nicht existiert. Kenner der Szene halten es für nicht unwahrscheinlich, daß es sich bei dem Absender der Briefe um den rumänischen Geheimdienstes „Securitate“ handelt. Den Poststempeln zufolge wurden die vier Briefe in dem österreichischen Städtchen Baden bei Wien aufgegeben. In Wien befindet sich auch das Aktionszentrum des „Securitate“.

Daß sich Ceausescu und seine Parteigänger - wie in den vorliegenden Briefen - graphische und stilistische Merkmale anitibolschewistischer Legionäre aneignen, ist nicht neu. Als ideologisches Bindeglied dient hier ein starkes antiungarisches Ressentiment, das auch aus den vorliegenden Briefen spricht.

Die Todesdrohungen sind für rumäniendeutsche SchriftstellerInnen nur das letzte Glied in einer Kette von Repressalien. Anonyme Telefonanrufe und Briefe gehören für die Betroffenen seit Monaten zum Alltag. Ihre Freunde und Verwandten in Rumänien wurden wiederholt unter Druck gesetzt, um sie bei ihren politischen Aktivitäten zu beeinflussen. Helmuth Frauendorfers Mutter z.B. bat ihren Sohn kürzlich am Telefon, er möge doch seine für den 15. November geplanten politischen Aktionen einstellen. Der 15. November ist der erste Jahrestag des Hungeraufstandes der Arbeiter von Brasov (Kronstadt) (vgl. auch nebenstehenden Kasten).

Kugel Siehe auch

Ausland Hintergrund Seite 19