Wahlen in Nicaragua fraglich

Nach dem Wirbelsturm erwägt die Regierung nun, die kommenden Kommunalwahlen zu verschieben Die Wahl würde an die zehn Millionen Dollar kosten / Immense wirtschaftliche Schäden durch den Sturm  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Die Regierung Nicaraguas erwägt, die für die erste Jahreshälfte 1989 angesagten Kommunalwahlen zu verschieben. Dies deutete Präsident Ortega mit dem Hinweis auf die finanzielle Notlage des Landes am Dienstag in einer Pressekonferenz an. Die Gemeindewahlen, die in der ersten Jahreshälfte 1989 stattfinden sollten, werden als Gradmesser für die Beliebtheit der Revolutionsregierung allgemein mit Spannung erwartet.

„Wenn wir die Gelder zum Essen brauchen, müssen wir gut überlegen, für wann wir den Wahltermin ansetzen“, erklärte der Präsident. In Nicaragua stehen nächstes Jahr außer den Kommunalwahlen auch die Legislativ- und allenfalls noch die Wahlen zum Zentralamerikanischen Parlament auf dem Programm. Jeder Urnengang kostet nach Angaben der Regierung rund zehn Millionen Dollar. Keine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, daß die für 1988 erwarteten Exporteinnahmen nach Hurrikan „Joan“ von 205,8 Millionen auf 191 Millionen Dollar hinunterkorrigiert werden mußten. Agrarreformminister Jaime Wheelock schätzte den direkten Schaden, den der Wirbelsturm der Produktion und Infrastruktur zugefügt hat, auf 124,5 Millionen Dollar. Auf rund 700 Millionen Dollar belaufen sich die Schäden am Baumbestand. 15 Prozent der Waldreserven oder vier Millionen Kubikmeter Bäume, teilweise teure Edelhölzer, sind vernichtet worden. Nicaragua produziert jährlich 150.000 Kubikmeter Holz. Über die katastrophalen ökologischen Konsequenzen des Wirbelsturms wird vorerst nur spekuliert.

Einige Gemeinden im Norden, in der Gegend von Wiwili, sind zwei Wochen nach dem Sturm noch immer von der Außenwelt abgeschnitten und müssen aus der Luft versorgt werden.

In jedem Fall wird die Ernährungssituation in spätestens einem halben Jahr kritisch werden. Salvador Mayorga, der stellvertretende Agrarminister, wollte das Wort Hungersnot nicht in den Mund nehmen, sprach aber von einem Defizit an Grundnahrungsmitteln von 175.000 Tonnen, das sich ab Mai 1989 bemerkbar machen würde.

Im übrigen fürchtet Ortega, daß Reagan „jede mögliche Verrücktheit begehen“ könnte, bevor er am 20.Januar das Weiße Haus räumen muß. Deswegen dürfe man eine Invasion von US-Truppen in den kommenden Wochen nicht ausschließen.

Was die Wahlen in den Vereinigten Staaten betreffe, so werde man sehen, „ob der Respekt vor der internationalen Rechtsordnung siegt oder ob Reagans Politik der Verhöhnung dieser Rechtsordnung fortgesetzt wird“. Ortega wiederholte seine Bereitschaft, mit dem neuen Präsidenten in direkten Verhandlungen jederzeit über Sicherheitsfragen zu verhandeln und jede ausländische Militärpräsenz aus Zentralamerika zu verbannen.