Der „Mensch“ hinter der Uniform?

■ betr.: Artikel „Rechtsradikale rüsten für Europawahl“, taz vom 31.10.88

Liebe TazlerInnen,

eigentlich sollte dies kein Leserbrief sein, eher eine Anmerkung oder ein Vorschlag. Es geht mir um das Photo, das dem DVU- Artikel beigegeben war, Rechtsradikale Aktionen unter dem Schutz und Schirm deutscher Polizisten, anno 1988. Ein beschämender und bestürzender Anblick. Doch kann dies nicht alles sein. In langer Reihe stehen sie da, sehr kriegerisch und sehr stumm. Aber beraubte mann sie ihrer Knüppel, Helme und Kampfanzüge und blickte ihnen in die Augen, was käme zutage? Vielleicht hier und da ein Zweifel über die Richtigkeit dessen, was sie tun. Vielleicht sogar die Einsicht in die Notwendigkeit, sich um 180 Grad zu drehen und den wahren Gegner ins Blickfeld zu nehmen. Doch wer kann sich schon auf diese Weise dem Einsatzbefehl entziehen? Es wäre lohnenswert und wichtig für die taz, sich einmal dem Menschen in seiner Uniform zuzuwenden und dessen Gefühle und Gedanken aufzuspüren. Und das Ergebnis in aller Deutlichkeit öffentlich zu machen. Was immer dabei zutage käme an Ermutigendem und sicher auch an Erschreckendem, es wäre ein Bild abseits der schwarz-weiß gemalten klischees, ein buntschillerndes Bild der Vielfältigkeit. Es könnte dazu beitragen, die von beiden Seiten so gerne gepflegte Feindbilder etwas zu verwischen. Und das haben wir inzwischen wieder verdammt nötig.

Zum Schluß ein dickes Lob für Klaus Schlössers Kommentar zum Artikel. Er ist einmalig in seiner Hintergründigkeit und Nachdenklichkeit.

Und die taz im Allgemeinen? Es ist schön, sie täglich im Briefkasten vorzufinden, bei einer Bremerhavener Tageszeitung, die in ihrer dümmlichen Oberflächlichkeit oft nicht zu ertragen ist.

Auf das sich Eure Leserschaft mehren möge!

Uwe Jürgensen