Chineastisches Chop-Suey

■ „Peking Opera Blues“ von Tsui Hark ist ein wundelbales Riesenspektakel um Theateraufführungen und Verschwörungen, despotische Militärs und Rebellen in Peking

Über Filme aus Hong Kong konnte man bisher nur lachen, weil sie so mies waren. Bei uns kamen nur einige Kung Fu-Filme von Bruce Lee und Konsorten in die schäbigen Bahnhofskinos, aber ganz Südost-Asien wird aus den dortigen Filmfabriken mit einer Trivialitätenflut überrollt, denn nach Bombay ist Hong Kong die zahlenmäßig produktivste Filmstadt der Welt (Hollywood liegt erst an bescheidener dritter Stelle).

Aber scheinbar ist es ein Naturgesetz, daß jede Filmnation einmal in ihre nouvelle vogue kommt, und Tsui Hark ist seit ein paar Jahren so etwas wie der Star des neuen Films der britischen Kronkolonie.

Und in seinem „Peking Opera Blues“ kommt man nun kaum aus dem Lachen heraus, obwohl der Film nicht einmal eindeutig als Komödie zu bezeichnen wäre, und obwohl man als Europäer gar nicht alles so recht mitbekommt, was da in rasend schnellen Tempo auf der Leinwand passiert. Ich wette um eine Frühlingsrolle, daß nicht eine Einstellung länger als acht Sekunden dauert, und die Geschichte ist ein Riesenspektakel um Verschwörungen und Theateraufführungen, despotische Militärs und Rebellen im Peking von 1913, nach der ersten demokratischen Revolution.

Und da haben die Frauen eindeutig die Hosen an: Drei Muske

tessen müssen sich mit viel Peng-Peng bei dieser komischen Oper durchkämpfen, - schummeln und - schmusen: die weltgewandte Generalstochter Tso Wan kommt gerade aus dem Ausland zurück und muß als Agentin einer illegalen Widerstandstruppe ihrem eigenen Vater wichtige, geheime Dokumente abluchsen. Die arme Sängerin Sheung-hung will eigentlich nur das Kästchen mit Perlen wiederfinden, das sie am Anfang des Films stibitzt und gleich wieder verloren hat, und Pat Neil will eine Hauptrolle in der Peking Oper spielen, aber ihr Vater, der Theaterdirektor duldet keine Frauen auf der Bühne. Die drei werden pausenlos um dieses Theater herumgejagt, verkleiden sich, brechen ein und brechen aus, kämpfenliebenleidenlachen - in einer Hektik, die selbst Konfuzius ins Schwitzen gebracht hätte. Und das erstaunliche ist, daß dieser Riesenhaufen aus Kino dem Zuschauer so phantasie-und kunstvoll an den Kopf geworfen wird, daß es eine helle Freude ist.

Tsui Hark hat dazu Elemente aus der traditionellen Peking Oper mit Einflüssen des modernen Action-, Slapstick-und Historienkinos vermischt. Durch die Kostüme, leuchtenden Farben und geschminkten Gesichter aus der Peking Oper wird der Film zu einem optischen Genuß. Kein Eastern ohne Kung Fu, aber die Kampfszenen sind mit einer so

exakten und ästhetischen Choreographie inszeniert, daß sie schon surreal wirken, und auch eine kurze Folterszene ist so überzogen inszeniert, daß vor lauter Form gar kein Blut mehr übrigbleibt. Der Humor ist oft derbe, aber nie platt. Verkleidungen und Verwechslungen gibt es en masse, aber sie werden so abwechslungsreich und verwickelt präsentiert, daß es nie zuviel wird - einmal verkleidet sich da eine Frau als Mann, der als Frau verkleidet ist.

Tsui Hark hat mit überschäumender Phantasie und Fabulierfreude alles was er finden konnte in den Film hineingepackt und dabei auch ohne Hemmungen geklaut. Wer aufmerksam auf den Soundtrack achtet, findet - gut versteckt - mal ein paar Takte von Jeff Beck, mal ein Stückchen von Peter Gabriel, ohne daß beide in den Credits erwähnt würden. Peking Opera Blues indeed!

Der Film läuft in der Originalfassung mit Untertiteln, was aber nicht weiter anstrengend ist, da die Dialoge wohl das Unwichtigste an diesem Film sind, aber so stellt man verblüfft fest, daß einige uns ganz vertraute Töne auch im fernen China zu hören sind. Wenn Tso Wan ihren Vater ruft, hört man in bestem Kantonesisch: „Papa, Papa!“

Wilfried Hippen

Schauburg, 23.00 Uhr, bis Sonntag auch 19.00 Uhr