Neuheiden und Neonazis

■ Pfarrer F.-W. Haak, Spezialist für neonazistische Religionen, sprach in der Urania

Viel zu selten erlebt man einen protestantischen Pfarrer bei einer flammenden antifaschistischen Rede, und schon gar nicht vor dem Publikum der Urania. Anders F.-W. Haak, einer der Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche: Mittwoch abend wetterte er, rhetorisch brilliant und mit geradezu verblüffender Sachkenntnis, gegen „Wotanskulte“, Blut-, Boden- und Rassereligionen und „Neuheidentum“. Hunderte dieser obskuren Gruppen hätten sich in den letzten 20 Jahren gebildet. „Diese Ideen haben den Krieg unbeschadet überlebt!“ warnt Haak und verweist auf Parallelen der 20er Jahre. Fast alle Nazi-Führer gehörten damals einer dieser „heidnischen“ Vereinigungen an. Gemeinsamkeit und Grundgedanke: die Art liege im Blut. Das Vokabular hat sich angepaßt: statt „Volksgemeinschaft“ heißt es jetzt „Biotop“, statt offenem Antisemitismus läßt man jetzt Ausländer nach ihrer Fa?on selig werden - „aber nicht hier bei uns“.

Haak erntet wütenden Widerspruch bei einigen aus dem Publikum, als er die engen personellen Verpflechtungen zwischen Rechtsextremen und „neuen Heiden“ anprangert. Sie seien keine Faschisten, sondern „Anarchisten“, behaupten die anwesenden Wotan-Verehrer. Alles Lüge, kontert Haak: Michael Pflanz zum Beispiel, einer der führenden „Neuheiden“, habe sich bei Schulungsabenden über „die Germanen“ profiliert. Sein Publikum: Weddinger Skinheads und andere Neonazis wie „Wotans Volk“.

Auf die Frage, wie man diesen Neofaschisten begegnen solle, spricht Haak sich gegen Gewalt aus. Knüppel von außen schweiße diese „psycho-pathologischen Bergungsgruppen“ nur noch mehr zusammen. Jeder könne nur sich selbst bekehren.

Alte Leute, die er nach Erinnerungen an „heidnische“ Gruppen von früher befragt habe, hätten sich nicht mehr an die Namen der diversen Vereinigungen erinnert - sie machten ihn auf ein ganz anderes Charakteristikum aufmerksam: „Ach, sie meinen die Frauenfeinde!?“

Burkhard Schröder