Perspektivlose Systemfeinde

Bremen - Celtic: 0:0 im langweiligsten Spiel Europas  ■  PRESS-SCHLAG

Und in Glasgow soll James Watt 1769 tatsächlich die Dampfmaschine erfunden haben? Hat er. Und Glasgow war mal sowas wie die heimliche Hauptstadt des britischen Lokomotivbaus? Stimmt.

Damals, als selbst Manni Burgsmüller noch in den Kinderfußballschuhen steckte, anno 1888, legten irische Einwanderer die Grundlagen für das melancholisch stimmende 0:0 vom Dienstag abend, indem sie ihren Sportverein Celtic aus der römisch-katholische Taufe hoben. Bezaubernd dargebotene Vereinsgesänge zur Melodie der irischen Nationalhymne sowie Kostproben aus dem reichhaltigen schottischen Sprechchorrepertoire vermochten zwar das einheimisch-dumpfe Werder, Werder-Gedröhne zu übertönen, doch das hätte man auch haben können, ohne sich gleich Arsch und Beutel abzufrieren.

Zum Beispiel in der Eckkneipe Zum lustigen Schuster, die für mehrere Stunden alle Qualitäten eines veritablen Jolly Shoemaker annahm und den verstört an ihren Biertöpfchen nippenden locals einen Eindruck davon vermittelte, wie es am fernen Clyde so zugeht. Doch bei aller Freude über die kurzzeitige Schottlandisierung vaterländischer Trinkkultur, was auf dem grün-weißen Rasen geboten wurde, war so ernüchternd wie ein abgestandenes Mineralwasser. Das langweiligste Europapokalspiel Europas!

Tret- und Schiebeball hoher chaotischer Machart. Zweiundzwanzig Systemfeinde ohne Perspektive. Glasgows so gefürchtetem Angreifer McAvennie hatte Otto Rehhagel Jonny Otten in den Weg gestellt. Vor Zweitstürmer Mark McGhee stand Uli Borowka, und um die freiwerdenden Bälle kümmerte sich Rune Bratseth, der immerhin einen stattlichen Libero abgab.

Metzgersohn Kalle Riedle wurde bedauerswertes Opfer der wurstig dahinrollenden Servierer Hermann und Ordenewitz, die keine Gelegenheit ausließen, ihrem auf Pässe lauernden Mitspieler schon im Ansatz zu signalisieren, daß von ihnen nichts zu erwarten sei. Statt flach und scharf ins strafräumige Beingewirr vor dem schottischen Tore zu kicken, beschränkte man sich auf gelegentliche hohe Hereingaben, an welche selbstverstädlich kein Bremer geriet, da bekanntlich die glaswegians nicht nur 31fache schottische Ligameister sind, sondern multimillionenfache Meister der Kopfabwehr.

Unter den 38.000 Zuschauern auch Haupttechnikus Norbert Meier, dem der Bremer Trainer zwar Spielfeldrandgymnastik zu verordnen beliebte, den er jedoch in das trübe Geschehen rund um den Mittelkreis nicht eingreifen lassen mochte. Das Fußballerische sei zu kurz gekommen, sagte Otto Rehhagel hinterher. Das hätte er mal vorher sagen sollen. Dann wäre ich gleich im Lustigen Schuster geblieben, und die drei Feurwehrleute aus Glasgow wahrscheinlich auch. Nach immerhin dreißig Stunden on the road. „We're here, for the beer. A wee bit of crack, and a good match!“ Sorry, lads.

Michael Augustin

Bremen: Reck - Bratseth - Borowka, Otten - Schaaf, Wolter, Votava, Neubarth (66. Burgsmüller), Hermann - Riedle, Ordenewitz

Glasgow: Bonner - Morris, McCarthy, Whyte, Rogan - Stark, McStay, Aitken, Burns (77. Miller) - McGhee (82. Archdeacon), McAvennie