Chance für ausgetrickste Werft?

Nach dem Fregattencoup des Verteidigungsministeriums und der Übertölpelung durch die Konkurrenz herrscht düstere Stimmung im Bremer Vulkan / Die einzige Chance: Alternative Produktion  ■  Aus Bremen Michael Weisfeld

Bis nach Mitternacht tagten am vergangenen Dienstag die Aufsichtsräte der Bremer Vulkan- Werft. Die Stimmung sei gedrückt gewesen, berichtete ein Teilnehmer. Ein anderer: „Das Grauen ging um.“ Der Grund: Dem krisengeschüttelten Unternehmen schwimmen die Fregattenaufträge der Bundesmarine davon. Vielleicht für immer, mutmaßten die Aufsichtsräte düster. Damit würden sich die einzigen Posten aus den Auftragsbüchern verabschieden, mit denen die Werft hoffen konnte, Gewinne einzufahren. Denn wegen des weltweiten Überangebots an Handelsschiffen bedeutet jeder zivile Neubau im Ergebnis ein Minus in der Kasse. Der Zusammenbruch des Bremer Werftenverbundes, dessen Herzstück die Vulkan-Werft ist, stand in der Dienstagnacht wie ein Menetekel an der Wand des Parkhotels.

Zur Erinnerung: Seit Jahren konzipieren vier norddeutsche Großwerften, zu einer „Arbeitsgemeinschaft“ zusammengeschlossen die F 123, eine neue Fregatte, mit der die Bundesmarine in den neunziger Jahren größere Geschütze und Raketenabschußrampen über die Weltmeere fahren will. Einträchtig saßen sie über den Plänen: Ingenieure der Kieler Howaldtswerft, der Thyssen-Nordseewerke in Emden, der Hamburger Werft Blohm & Voß und des Bremer Vulkan. 650 Millionen Mark sollte ein Schiff kosten, 2,6 Mrd. der vier Fregatten umfassende Auftrag.

Rüstungsexperten aus den USA sollen die Bonner Waffenkäufer auf die Idee gebracht haben, ihr neues Waffensystem auf ein altes Schiff zu packen. Ob das neue Waffensystem denn vielleicht auf der Fregatte 122, dem ebenfalls von der „Arbeitsgemeinschaft“ gebauten Vorläufermodell, Platz finden könnten, fragten die Bonner Anfang Oktober die Werften der Arbeitsgemeinschaft - in bilateralen Einzelgesprächen. Der Vulkan-Vorstand erklärte sich als einziger bereit, die Schiffe zu bauen und nannte auch gleich einen Preis: 585 Mill. Mark, also zehn Prozent weniger als die „Arbeitsgemeinschaft“ für die F 123 haben wollten. Von diesem Sonderangebot erfuhren die Konkurrenten erst aus Bonn. Sie zogen sofort nach und boten dem Verteidigungsministerium eine Fregatte an, die der gemeinsam entwickelten F 123 gleichwertig ist, ebenfalls zum Preis von 585 Mill. Mark.

Bonn lachender Dritter

Die Hardthöhe gab der Hamburger Werft den Zuschlag und ist seitdem lachender Dritter. Ganz unverhohlen freute sich Fregattenkapitän Peter Monte, zuständig für die Marinebewaffnung, seines taktischen Sieges: „Wenn wir die Arbeitsgemeinschaft, und nicht die Werften einzeln gefragt hätten, hätte das nicht geklappt.“

Seit knapp einem Jahr gibt es bei den Bonner Waffenkäufern eine „neue Philosophie“ (Monte). Sie heißt „design to cost“ und bedeutet: Der Kriegsindustrie wird gesagt, wieviel Geld der Bund für eine bestimmte neue Waffe ausgeben will. Nach dieser Vorgabe muß sie konstruieren. Früher war es üblich, daß die Industrie ihre Vorstellungen selber entwickelte. Unbegrenzt, auch was die Preise angeht.

So ein Coup wie bei den neuen Fregatten ist der Hardthöhe bisher noch nicht gelungen. Monte: „Das könnte als Muster für andere Geschäfte dienen.“ Offiziell spricht sich das Ministerium dafür aus, daß der Vulkan nun an den Fregatten als Unterauftragnehmer beteiligt wird. Monte: „Die Werft hat ja lange Erfahrung.“ Aber Montes Mitarbeiter Peter Trittermann kann sich auch vorstellen, daß die Werft gar keine Schiffe mehr für die Marine baut: „Nicht jede Werft kann auf Auslastung durch das Verteidigungsministerium rechnen. Da kann es durchaus eine Strukturbereinigung geben.“

Diese Andeutungen von der Hardthöhe bestätigen Befürchtungen, die besonders die IG Metall schon lange hegt: Der profitable Kriegsschiffbau soll der Vulkan-Werft, die der Regie der sozialdemokratischen Landesregierung untersteht, weggenommen und den Thyssen-Werften in Hamburg (Blohm & Voß) und Emden (Thyssen Nordsee Werke) zugeschanzt werden. Blohm und Voß hat sich ganz dem Kriegsgerät verschrieben: Die Werft baut nicht nur Fregatten und Korvetten, sondern auch Panzer-Wannen für den Leopard II.

Blohm & Voß führt auch den Kriegsschiffexport der Bundesrepublik an. Fregatten für Argentinien und die Türkei liefen von den Hamburger Helgen. Die Zukunft soll Exporte nach Portugal, Australien und wieder die Türkei bringen, unterstützt vom Verteidigungsministerium mit insgesamt mehr als einer Mrd Mark an Ausfuhrhilfen. In den späten neunziger Jahren wollen sich acht Nato- Staaten einen neuen Fregattentyp zulegen, die F 124. Auch da will Blohm & Voß einer der wichtigsten Bauplätze sein.

Von all diesem Glück wird dem Bremer Vulkan voraussichtlich nichts zufallen. Sein jäher Ausstieg aus dem Kriegsschiffgeschäft legt auch die Entwicklungs- und Konstruktionsabteilung teilweise lahm, die mit dem Fregatten -Design stark beschäftigt war. Ohne konkreten Auftrag „just for fun“, so wurde vorgestern unter den Aufsichtsräten eingeschätzt, wird man es sich nicht leisten können, an der Entwicklung neuer Kriegsschiffe zu arbeiten.

„In Bremen ist jetzt der unternehmerische Geist gefordert“, sagt Oberstleutnant Trittermann zu den Aussichten der Vulkan -Werft, nicht ohne Spott. Daß man sich etwas Neues einfallen lassen muß, schwante am Dienstag auch dem Aufsichtsrat. Zwar will die Werft erstmal versuchen, doch noch am Fregattengeschäft beteiligt zu werden, und notfalls den Weg über die Gerichte gehen. Aber außerdem soll der Vorstand sich schonmal überlegen, wie es ohne Kriegsproduktion weitergehen kann, die rund zehn Prozent der Beschäftigung der Werft ausgemacht hat.

In der IG Metall scheint der Schock ein zartes Nachdenken ausgelöst zu haben. War es richtig, den Wettlauf um die Fregatten mitzumachen? Die alte Idee der alternativen, schiffbaufremden Produktion wird wieder aktuell. Schon in den nächsten Wochen soll ein neuer Mann in den Vorstand der Werft aufgenommen werden, der dort nur ein Gebiet zu verwalten haben wird: Alternative Beschäftigung.