Anpassung an die Katastrophe

„Die Frage ist nicht, ob wir die Landwirtschaft an die Klimaveränderungen anpassen können, sondern wie wir sie am besten anpassen können“, schloß der amerikanische Agrarexperte Timothy Carter seinen Vortrag. „Wir brauchen bessere Daten, dann können wir das geeignete Konzept aus der Tasche ziehen.“ Wer in Hamburg neue Antworten auf die drohende Katastrophe erwartet hatte, mußte mit Erschrecken zur Kenntnis nehmen: Wissenschaftler in aller Welt beginnen, sich auf globale Erhitzung, Meeresspiegelanstieg und Naturkatastrophen einzurichten, schlimmer noch: Früchte aus dem erwarteten Treibhauseffekt zu ernten.

Drei Wege beschrieb der Hamburger Ex-Wissenschaftssenator und Naturphilosoph Professor Klaus-Michael Meyer-Abich zu Beginn der Konferenz, auf denen dem „klimatischen Holocaust“ begegnet werden könne: die Verhinderung der Katastrophe, eine Hoffnung, der er politisch jedoch kaum eine Chance einräumte. Sie sei mit dem „Verbot eines Weltkrieges“ vergleichbar, meinte Meyer-Abich. So werde man sich mit der zweitbesten Lösung befassen, der „Kompensation“ absehbarer Schäden durch die weitere Entwicklung von Technologien, „dem Bau von Deichen und noch höheren Deichen“. Weil sich dieser Weg aber als „zu teuer“ erweisen könnte, mochte Meyer-Abich auch die „nicht einmal drittbeste Lösung“ nicht ausschließen: die „Anpassung“ an die Katastrophe.

Der Beweis für seine düsteren Vorahnungen erfolgte noch am selben Tag. Da hielt der US-Sozialwissenschaftler Michael Glantz eine flammende Rede, endlich das Phänomen der Dürren in die Entwicklungsplanungen einzubeziehen, und er wußte in diesem Zusammenhang auch von positiven wirtschaftlichen Effekten extremer Temperaturen zu berichten. So sei Anfang der siebziger Jahre Perus Fischmehlexport in Folge eines „El Nino„-Ereignisses (warme Meeresströme als Vorboten von großen Dürreperioden) zusammengebrochen, wovon Brasilien profitierte, dem es gelang, mit dem Ersatzprodukt Sojamehl in diese Marktlücke zu stoßen. Ein anderes Mal geriet eine Kälteperiode in Florida zum Vorteil Brasiliens. Damals erfroren dem Herstellerland von Orangensaft-Konzentraten die Zitrusfrüchte. Brasilien stieg zum führenden Exporteur auf.

Doch weil solche Beispiele die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß gerade Brasilien zu den Hauptverlierern der vorausgesagten Erwärmung des Planeten gehören wird, plädierte ebenso wie Glantz der Brasilianer Antonio Magalhaes dafür, sich auf die „kommenden Muster von Klimaschwankungen“ vorzubereiten. Damit auch die Armen eine Chance zum Überleben hätten, forderte der Brasilianer eine gerechtere Einkommensverteilung und eine Erleichterung bei der „Last der Auslandsverschuldung“ für sein Land. Weniger mit Kapital als vielmehr durch neue Gentechnologien wollte sein Vorredner Spitz der als Folge der „Klimavariabilität“ zu befürchtenden Nahrungsmittelknappheit vor allem auf der südlichen Halbkugel vorbeugen. Man müsse dafür sorgen, so Spitz, daß trotz extremer Temperaturen die „genetische Artenvielfalt“ von Getreidepflanzen und Hölzern erhalten bleibe, oder, wie Weltbankmitglied Arrhenius an dieser Stelle ergänzte, sie „am besten noch erhöhen“.

Die Klimakatastrophe als Kosten-Nutzen-Abwägung, bei der es nur darauf ankomme, mit möglichst exakten Daten zu hantieren: Kaum ein Kongreßteilnehmer hat die Rechnung so unverhohlen präsentiert wie jener oben bereits zitierte Carter mit seinen Taschenspielertricks. Um mit neuen Anbaumethoden und Pflanzenarten herumzuexperimentieren, müsse man das Szenario derzeit einfach ein paar hundert Kilometer südwärts verschieben. So könne man zukünftige Klimaveränderungen erfolgreich simulieren, das sei „billiger“, als sich erst nachher den neuen Temperaturbedingungen anzupassen. Da gäbe es viele Möglichkeiten: Frühjahrsweizen könnte vielleicht im Winter angebaut, die Düngung reduziert werden. Und vielleicht baut die Bundesrepublik dann Sonnenblumen statt Kartoffeln an. Viel sei auch mit Bewässerung zu erreichen: „Entweder wir verlagern die Betriebe oder das Wasser.“ Positive Effekte nutzen und negative abmildern, lautete seine Devise. Man kann nicht sagen, welches Klima das bessere und welches das schlechtere ist, so Carter. „Wir müssen uns eben anpassen, die Feinabstimmung folgt dann am Ende des Veränderungsprozesses.“

Kaum verwunderlich, daß da ein indischer Umweltexperte die Gelegenheit beim Schopfe packte. In Anspielung auf ein mögliches Erblühen einiger Wüstenregionen seines Landes forderte er: „Wir hätten gern ein bißchen mehr Treibhauseffekt. Dann gäbe es bei uns keinen Hunger mehr, dann könnte in Zukunft Indien die USA ernähren.“

Gabi Haas