Die Medienzukunft hat begonnen...

■ ...aber, wie die erstaunliche Geschichte von Ernst Albrechts liebstem Medienkind ffn zeigt, anders, als er und wir gedacht Kleine Dialektik der Mediengeschichte: Unterhaltungskünstler werden öffentlich rechtlich, Aufklärer privatisieren

Das private radio ffn (Funk und Fernsehen Niedersachsen) führt, zusammen mit den Flaggschiffen der (ja auch privaten) linken Kampfpresse, „Spiegel“ und „Stern“, eine „Verleumdungskampagne“ gegen den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht. Erstes Opfer dieser mit vielen Millionen finanzierten Kampagne ist der Innensenator Werner Hasselmann. So jedenfalls erklärte Albrecht in der vergangenen Woche den InsassInnen eines niedersächsischen Altersheimes die Weltläufe.

Der ffn als Sargnagel des auf

rechten Vorkämpfers für den Privatfunk, Ernst Albrecht, welche List der dialektischen Mutter Geschichte! Es ist inzwischen schon wieder aus dem Kurzzeitgedächtnis gerutscht, aber mit dem ffn wollte Albrecht eine Bresche in die angeblich rotfunkenden staatlichen Rundfunkanstalten schlagen. Die Berichte des NDR über die Brokdorf-und Gorleben-Schlachten hatten ihn so ergrimmt, daß er zunächst durch die Aufkündigung des Drei-Länder-Staatsvertrages „das Rundfunkwesen neu gestalten“ wollte, wie er in einer berühmt gewordenen

Rede in Westerstede verkündete. „Die Medienzukunft beginnt in Niedersachsen“, verlautbarte dazu Albrechts Pressesprecher Hilmar von Poser.

Nun hat die Zukunft begonnen. Seit dem dem 31.12. 1986 sendet sie ihr Programm aus dem ehemaligen Herrenhaus des Besitzers der Firma Pelikan in Isernhagen bei Hannover. Noch nicht einmal zwei Jahre später sieht sich ihr Schöpfer als ihr Opfer.

Dabei hatte sich radio ffn in kurzer Zeit mit einer knappen halben Million HörerInnen zum größten Privatsender der BRD

entwickelt. Zwischen viele Werbekleckse hatten die Isernhagener Musikfarben gelegt, die vor allem junge HörerInnen ansprachen, ffn hatte oft liebevoll produzierte Musispecials zu bieten, zwischendurch stets frische Verkehrsnachrichten, manchmal unverblümt-unausgewogene Kommentare und immer bunte, aber informierende News-shows. Statt der z.B. Radio Bremen und NDR-üblichen diplomatensprachlich-daherstelzenden Nachrichten, gediegen -abgehangen verlesen, gab und gibt es bei ffn Kurzinterviews und kurze Korrespondentenberichte in bunter und ernsthaft informierender Mischung. Der Sender war auf diese Weise massiv in die HörerInnen-Auen eingebrochen, auf denen die Programmkühe von RB und NDR weideten.

So weit, so erfolgreich. Und in Bremen war der ffn dem CDU -Weser-Report stets eine Titelstory über die den Öffentlichen abgeworbenen LeserInnen wert. Plötzlich in diesem Sommer setzte dann aber der gleiche Weser-Report die 80. bis 90.OOO HörerInnen in die Schlagzeile, die Radio Bremen von ffn zurückerobert hatte. Der CDU-Wind hatte gedreht: Findige ffn-Redakteure hatten Laszlo Maria von

Rath jenseits des großen Teiches ausfindig gemacht und mit seinen Aussagen den Spielbank-Skandal losgetreten.

Dennoch: der journalistische Erfolg ersetzt die abgewanderten Hörerinnen nicht. Der Jungsender spielt seine ca. 20 Millionen jährlichen Kosten noch nicht durch Werbung wieder herein, arbeitet noch mit Defizit. Die gesunkene Einschaltquote hat deshalb neue Bewegung in den ffn gebracht, doppelte: in das Redakationsteam einer-, in die die Programmstruktur andererseits. Seit dem 3. Oktober ist ein reformiertes Programm zu hören, in dem dem Musikgeschmack des Massenpublikums ein Recht auf mehr Oldies zugebilligt wird, während die Musik-specials und die krassen Fetzen ihren Platz in der abends ausgestrahlten „power -station“ bekommen. Wir noch kochenden Hausfrauen (und männer) werden stärker mit Service-Angeboten und eingestreuten Geheimnissen z.B. über weintraubenbesoßten Braten erfreut, Servicesparten wie „Recht im Alltag“ oder „Umwelttips“ sollen ihren festen Platz bekommen. Weniger und gar unkritischere Wortsendungen aber, so betonen die Programmverantwortlichen wird es nicht geben, im Gegen

teil, der Ehrgeiz journalistische „Spitzenarbeit“ (Gisbert Mrozek) abzuliefern, ist gewachsen.

Ein Grund dafür ist, daß im Kampf zweier Linien die „journalistische Fraktion“ über die „Balla-Balla-Fraktion“ obsiegt hat, die sich am Erfolgsmodell des superseichten Senders „Radio Schleswig-Holstein“ orientiert. Ein Karussel der Redakteure hat einige den Balla-Ballas Zugerechnete an ihnen genehmere Wirkungsstätten gedreht wie Eike Wachholz zum Fernsehen des RIAS. Neuhinzugekommen sind Journalisten, denen die Schönheiten der Deformprozesse in den öffentlichen Anstalten Anlaß waren, sich dem kritischen Privatsender zuzuwenden. So z.B. Gerhard Frost, der aus dem Studio Oldenburg des NDR kommt und Gisbert Mrozek, dem der Ausschluß der Freien MitarbeiterInnen von den Konferenzen die Laune an Radio Bremen verdorben hatte. Daß die Mühe des Landesvaters Albrecht dazu gut sein würde, immerhin einigen Fans der aufklärerischen Information unter den Journalisten ein Obdach zu bieten, während die 'Unterhalter‘ zu den Öffentlichen Anstalten zurückwechseln, wer hätte sich das noch vor drei Jahren auszudenken gewagt.

Uta Stolle