: Warum ist die Bio-Milch so teuer?
■ Merkwürdige Milchpreisgestaltung in Berliner Naturkostläden
Es ist schon ein seltsames Gefühl. Tagaus, tagein kauft man im Naturkostladen seine Bio-Milch für 2,50 DM den Liter im Bewußtsein, sich, der biologischen Landwirtschaft und der Natur Gutes zu tun. Dann reist man ins tiefste Westfalen, und da geht exakt diese Milch mit gleicher Kuh auf gleicher Packung für 1,69 DM über die Supermarkttheke. Bleibt die Frage, wessen Natur da eigentlich Gutes getan wird.
Daß der Bauer nicht von der wundersamen Verteuerung auf dem Weg nach Berlin profitiert, ist klar. Bekommt ein konventioneller Bauer 78 Pfennig pro Liter für die Milch, so sieht der Bio-Bauer mal gerade 20 Pfennig mehr. Selbstvermarktende Biobauern verlangen mindestens 1,80 DM, um auf einen halbwegs vernünftigen Stundenlohn zu kommen. Aber Selbstvermarkter sind für Berlin kein Thema. Ohne Molkereien und Großhändler gäbe es für die Berliner keine biologische Milch. Zwei Demeter- und eine Bioland-Molkerei sammeln und verarbeiten die Milch für den Berliner Markt, ca. 8.500 Liter die Woche. Im Vergleich zu den täglich 250.000 Litern konventioneller Milch der Berliner Meierei Zentrale ein recht bescheidener Beitrag.
Anbieter und Preismacher
Wer beliefert nun den Berliner Markt und trägt auf seine Weise zum Preisauftrieb bei? Den biologischen Anfang machte die Molkerei Schrozberg/Hohenlohe, die mit 4.000 Litern Demeter-Milch in der Woche heute das größte Kontingent stellt. Vertrieben wird die Milch über den Reformhaus -Großhändler Koch & Egner, dem der Liter Milch 1,40 DM bei der fränkischen Molkerei kostet und der 1,95 DM für die gelbblaue Papptüte vom Ladner verlangt. Damit ist die meistgetrunkene Bio-Milch für den Ladner auch gleichzeitig die teuerste.
Anders arbeitet die Demeter-Molkerei Töpen/Dennree GmbH. Vom Einsammeln der Milch beim Bauern bis zum Transport in den Laden wird alles selbst gemacht. Für die 1-Liter -Glasflasche bezahlt der Ladner 1,80 DM, für den 3-Liter -Container 4,80 DM und für die offene Milch 1,45 DM pro Liter. Diese Preise gelten sowohl für das Bundesgebiet als auch für Berlin. Obwohl die lose Milch die billigste ist, werden von wöchentlich gelieferten 1.700 Litern nur 500 lose verkauft.
Dritter Anbieter auf dem Berliner Naturkostmarkt ist die Niedersächsische „Bioland GmbH Nord“, eine Erzeugergemeinschaft, von etwa 48 Biolandbetrieben. Ihr Berliner Partner ist der Terra Naturkosthandel mit seinem Frischdienst. 1,80 DM verlangt Terra vom Ladner. Bereitwillig legt Meinrad Schmitt die Kalkulation dar: Der Frischdienst existiere erst seit einigen Monaten und liefere immerhin 2.500 Liter pro Woche in Berlin aus, Tendenz steigend. 1,47 DM zahle man für den Liter, 20 Pfennig koste die Fracht nach Berlin und 23 Pfennig rechne man für sich.
„Lose“ Milch am günstigsten
Für den Geschäftsführer der Bioland GmbH Nord, Joachim Grunwald, liegt das Hauptproblem in der Vermarktung der Bioland-Milch. Er schätzt, daß allein in Niedersachsen jährlich fünf Millionen Liter Bioland-Milch in konventionellen Tüten landen, für die auch nur der konventionelle Preis an die Betriebe gezahlt wird. Die Bauern bräuchten deshalb dringend mehr Verbraucher. Die Bioland-Milch müsse möglichst billig abgegeben werden. Ihm schwebt da ein Endpreis von „um die zwei Mark vor“.
Ein Blick in die Kühltruhen Berliner Bioläden belehrt uns jedoch eines anderen. Niedrige Großhandelspreise werden nicht entsprechend an die Verkäufer weitergegeben. Manche Läden verkaufen alle Milch zum gleichen Preis, der dann jeweils zwischen 2,40 und 2,65 DM schwankt. Die anderen Läden haben die Tendenz, die ökologisch sinnvolle - weil wiederverwendbare - 1-Liter-Glasflasche der Dennree GmbH teurer zu verkaufen als die Bioland-Papptütenmilch, obwohl beide den gleichen Großhandelspreis haben. Die Ladner scheinen damit zu kalkulieren, daß für den traditionellen Bio-Kunden die Demeter-Milch einen höheren Stellenwert hat.
Am günstigsten liegt die lose Milch der Dennree GmbH mit 1,98 DM, wobei bedacht werden muß, daß bei der losen Milch die Ladner zusätzliche Kosten für die „Milchquelle“ haben. Festzustellen bleibt, vom Einebnen der Milchpreise profitiert die im Großhandel teuerste Milch aus Schrozberg und die Kalkulation der Ladner. Wen wundert's, daß Joachim Grunwald gewaltig in die Kannen haut. „Wenn Ladner die Bioland-Milch für 2,50 DM abgeben, wirtschaften sie gegen Bauern und Verbraucher. Sie betätigen sich als Bremser für Bioprodukte und Umweltschutz. Je billiger die Milch über den Ladentisch geht, um so mehr wird verkauft, was zu einer besseren Auslastung der Transportkapazitäten führt, den Bioland-Milchpreis weiter senkt und die Existenz der Betriebe sichert.“
Die Ladner werden sich anstrengen müssen, Sein und Bewußtsein in eine Kasse zu bekommen. Sonst könnte es passieren, daß nicht nur im tiefsten Westfalen ein „konventioneller“ Großhändler und Supermarktbesitzer zum Mäzen für Biolandprodukte wird, und die Biobauern für ihre Existenzsicherung keine andere Alternative sehen als den Supermarkt mit seinen 1,69 DM pro Liter Milch. Das ist schon ein recht seltsames Gefühl.
Gabi Trinkaus
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