Intelligenzmaschinen

■ Neues aus dem Land der Neurowissenschaften

Ein neues Modethema steht ins Haus: die Brain Machines. Immer dankbar für neue, starke Stories, nahmen sich bereits etliche Zeitschriften des deutschsprachigen In- und Auslandes des Themas an, so die bundesdeutsche lifestyle -Illustrierte 'Tempo‘, aber auch ein Organ wie die Schweizer Frauenzeitschrift 'Annabelle‘ berichtete ausführlich. „Intelligenzmaschinen“ ist das verbreitetste deutsche Wort für diese Apparate, die in den USA bereits seit zwei, drei Jahren bekannt sind.

Durch Experimente mit Labor-Ratten fanden kalifornische Wissenschaftler heraus, daß bei Tieren, die in mit bestimmten neuartigen, herausfordernden Reizen angereicherter Umgebung (mit Schaukeln u.ä. „Spielzeug“) gehalten wurden, bei späterer Analyse ihre Gehirne mehr Gehirnenzyme AChE aufwiesen, eine Substanz, die für Lernfähigkeit und Intelligenz zuständig sein soll. Bei den Vergleichsgruppen, die auf eine normale oder gar reizarme Umgebung beschränkt waren, gab es beträchtlich weniger AChE -Aktivität in der Großhirnrinde. So hatten anscheinend reizintensivierte Erfahrungen die Intelligenz der Labortiere erweitert. Doch nicht genug damit; beim anschließenden Wiegen der Rattengehirne stellte sich heraus, daß das Gewicht des Cortex der Tiere, die verstärkten Stimuli ausgesetzt waren, größer war als das der anderen Tiere. Weitere wissenschaftliche Studien (auch an anderen Tieren, wie z.B. Affen durchgeführt) führten zu folgenden Ergebnissen: Tiere, deren Gehirne stark stimuliert wurden, hatten ein/e

-vergrößerte Dicke des Cortex

-15prozentige Steigerung der Größe der Neuronen in der „Grauen Masse“ und ein höheres Gewicht des Cortex

-Wachstum der sogenannten Dendriten und ihrer Verzweigungen zu verzeichnen (Dendriten sind dornige Fasern, die Impulse, via Synapsen, von anderen Neuronen an den Zellkörper weiterleiten - deshalb bedeutet eine größere dendritische Verästelung ein Mehr an potenzieller Information, die jedem Neuron verfügbar wird)

-ebenfalls erhöhte Anzahl der Synapsen und ihrer Verbindungen sowie ein 15prozentiger Anstieg der Zahl der sogenannten Glia-Zellen (die unterstützende Funktionen für die Neuronen im Netzwerk wahrnehmen).

Darüberhinaus konnte selbst bei Ratten, deren Lebenszeit zu Dreiviertel abgelaufen war, der Effekt des Gehirnwachstums beobachtet werden. Die Jahrzehnte vorher entdeckte „Tatsache“, daß bei allen alternden Lebewesen die Zahl der Neuronen kontinuierlich abnimmt, das Gehirn abstirbt, ist damit widerlegt. „Use it or lose it“ - heißt die einfache Devise, richtige Stimulation des Gehirns bewirkt demnach allgemein eine veränderte und erhöhte Qualität des Cortex.

Bereits in den fünfziger Jahren fand der Neurowissenschaftler Walter Gray heraus, daß durch das Aussenden rhythmischer Lichtblitze in die Augen einer Versuchsperson die Gehirnwellen-Aktivität des gesamten Cortex, und nicht nur der direkt stimulierten Gebiete verändert wurde. Dieser Effekt, daß sich das Gehirn auf eine vorgegebene Frequenz „einschwingt“ (FFR - Frequenzy Following Response), bildet die Grundlage der Stimulationstechniken mit Hilfe von Licht und Tönen. Durch deren entsprechende Frequenz läßt sich ein in normalem Wachzustand befindliches Gehirn (Beta-Wellen 13 bis 30Hz) in entspanntere Gehirnwellen-Bereiche (Alpha bis Delta, 8 bis 13/0,5 bis 4Hz) „runterfahren“. Die darüber hinaus beobachtete Synchronisation der beiden Gehirn-Hemisphären, der man wohltuenden Wirkungen nachsagt, führte zu einem Einsatz dieser Stimulationsmethode zum Zwecke der Entspannung, erhöhter intellektueller und kreativer Leistung und gelegentlichem Freisetzen (weit) zurückliegender Erinnerungen.

Die andere weit verbreitete Technik der Gehirn-Stimulation basiert auf elektrischen Impulsen im Mikroamperebereich, via Elektroden ins Gehirn gesandt. Untersuchungen haben ergeben, daß so Neurotransmitter und Peptide (wie etwa die Endorphine) freigesetzt werden und ein Ausbalancieren der diversen chemischen Botenstoffe bewirkt wird, die nicht nur für körperliche Effekte verantwortlich sind, sondern auch psychischen, mentalen Vorgängen zugeordnet werden. Durch die Modifikation dieser neurologischen Prozesse lassen sich ebenfalls nützliche und wohltuende Wirkungen wie erhöhte Lernfähigkeit und Erinnerungsvermögen, tiefe Entspannung, Stärkung des Immunsystems und Schmerzreduktion erzielen.

Im ersten deutschsprachigen Buch zum Thema stellt die Ärztin Meg Patterson ihre Erfahrungen dar, die sie in der Behandlung von Süchtigen (u.a. bekannten Rockstars) machte, die über die Gier und die Schmerzen des Drogenentzugs mit Hilfe von Pattersons sogenannter „black box“ gut hinwegkamen. „Mir wurde klar, daß die Behandlung aus einem Lernprogramm besteht. Durch die (neuroelektrische) Therapie lernt das Gehirn, wieder seine eigenen Drogen zu produzieren.“ (Pete Townsend).

Das definitive Buch zum Komplex Brain Machines, das auch noch andere Geräte aus dem Bereich vorstellt, erscheint leider erst kommendes Jahr auf Deutsch. Megabrain, so der Titel des Buches von Michael Hutchison, beschreibt und erklärt detailliert die Grundlagen der Neurowissenschaften und berichtet kenntnisreich über die amerikanische Mind Machines-Szene.

Während in den USA bereits die Verteilungskämpfe um den boomenden Markt begannen (ein Mann der ersten Stunde versucht gerichtlich, seine davonschwimmenden Felle aufzuhalten), immer mehr „Mind Salons“ entstehen, hocken hierzulande innovative entrepreteurs, entgegen anderslautenden Gerüchten, nicht nur in den Startblöcken, sondern befinden sich teils bereits auf der Piste. Außer der Firma Brain Tech, die seit kurzem intelligenzsteigernde Produkte vertreibt, wird im Dezember in Berlin das erste Brain Machine Studio Europas eröffnet, wo Interessierte und Streßgeplagte die Geräte testen und sich angenehm entspannen können; auch hier kann man Apparate kaufen. Auch im deutschsprachigen Ausland wird eifrig geplant und vorbereitet - dort können voraussichtlich ebenfalls bald Geräte erstanden und in Studios benutzt werden.

Tim Sperber

Literatur: Meg Patterson, Der sanfte Entzug, Klett-Cotta; Michael Hutchison, Megabrain, Ballantine Books (in deutscher Übersetzung 1989 bei Sphinx)

Adressen: Brain Tech, Postfach 101605, 6900 Heidelberg; Relax Berlin, Courbierestraße 5, 1000 Berlin 30