„Ein Verführer bin ich nicht“

■ Interview mit dem italienischen Sänger, Komponisten und Pianisten Paolo Conte vor seinem Konzert am Freitag: „Aznavour sollte meine Lieder singen“

taz: Die Frauen lieben Sie. Lieben Sie die Frauen auch?

Paolo Conte: Ob ich die Frauen liebe? Allerdings. Sehr sogar. Aber ich gehöre zu einer Generation, in der man man die Frauen mehr aus der Entfernung liebte. Man sprach damals kaum miteinander. Wir haben uns früher vielleicht verliebt, haben auch erobert, aber nicht miteinander gesprochen.

taz: Für viele Frauen - für mich auch - sind Sie das Sinnbild eines Verführers. Wie erklären Sie sich das?

Paolo Conte: Oh, Sie sind sehr liebenswürdig. Sie verwirren mich, aber Sie sind eine Lügnerin. Was soll ich darauf antworten? Ein Verführer? Das bin ich

nicht, davon verstehe ich gar nichts. Wenn ich mich morgens im Spiegel sehe, habe ich keinen Verführer vor mir.

taz: Ich möchte aber trotzdem wissen, was das für Ihr Selbstbild bedeutet, auch wenn Sie selbst es nicht glauben.

Paolo Conte: Was Sie da sagen, ist mir wirklich neu. Aber ich erzähle Ihnen mal, wie das zu Beginn meiner musikalischen Karriere gewesen ist. Da bin ich immer vor überwiegend männlichem Publikum aufgetreten, vor Männern, die in mir den Komplizen Ihrer eigenen Niederlagen gesehen haben. Ich war das Symbol für alle Kämpfe, die die Männer auszufechten haben. Natürlich nur in der Phantasie, nicht reale Kämpfe. Seit einigen Jahren allerdings sehe ich sehr viele Frauen in meinen Konzerten. Und das gefällt mir natürlich, weil mir ja auch die Frauen gefallen. Denn Frauen bringen den Sieg, nicht die Niederlage. Vor allem jetzt, wo sie ja eine Hochphase ihrer Geschichte erleben. In dieser Hinsicht liebe ich die Frauen, aber daß ich deshalb ein Verführer wäre, würde ich selbst nicht daraus schließen.

taz: Sie haben schon oft gesagt, Ihre Stimme sei Ihr Schwachpunkt. Aber für mich sind Ihre Stimme, Ihre Musik und Ihre Texte eine Einheit. Ich kann mir keine andere Stimme für Ihre Kompositionen vorstellen. Was wäre denn Ihrer Meinung nach eine bessere Stimme?

Paolo Conte: Sie haben recht, es ist eine Einheit. Aber sehen Sie, ich habe angefangen als Komponist für andere Sänger. Ich habe mir also Lieder vorgestellt, die von anderen gesungen werden. Manchmal hatte ich bestimmte Sänger im Kopf. Zum Beispiel Aznavour, der zwar noch keins meiner Lieder gesungen hat, aber er hat eine fabelhafte Stimme, ganz wunderbar. Bei vielen Kompositionen habe ich mir ihn als Interpreten vorgestellt. Meine

Stimme gefällt mir nicht, aber ich mußte sie irgendwann einsetzen, um den Charakter meiner Lieder zu bewahren, denn von anderen Sängern werden sie verfälscht. Deshalb habe ich sogar eine Zeitlang nach einem Unbekannten gesucht, der meine Lieder nach meinen Vorstellungen singen könnte. Meine Stimme ist nicht ausgebildet, es ist keine Sängerstimme, aber natürlich weiß ich genau, daß sie wichtig ist. Sie gefällt mir nicht, aber sie ist wichtig.

taz: Bekommen Sie eigentlich viele Briefe von Verehrern?

Paolo Conte: Nein, verglichen damit, was andere Künstler an Briefen bekommen, wenig. Aber ich bekomme sehr ernsthafte Briefe. Von Leuten zum Beispiel, die mir ihre Interpretationen meiner Lieder schreiben. Und von den Frauen bekomme ich Blumen. Blumen, Blumen, Blumen. Ganz schöne Sträuße.

taz: Ihre Musik drückt Verschiedenes aus, zum Beispiel Melancholie, Ironie, Erotik. Ist für Sie selbst etwas davon dominant?

Paolo Conte: Nein. Es gehört alles zusammen. Melancholie ist ein Teil meiner Persönlichkeit, kennzeichnet aber auch meine Generation. Und die Ironie, ja, die gehört zwar auch zu mir, ist aber ganz allgemein etwas Norditalienisches. Ich bin ja Piemonteser, und wir aus dem Piemont schämen uns immer ein bißchen unseres Dialekts. Die Ironie kommt also aus dem Verhältnis zwischen der italienischen Hochsprache und dem Dialekt, es ist eine Art Verlegenheit gegenüber den Wörtern. Und Erotik? Das ist die Musik selbst. Ich schreibe immer zuerst die Musik, und dann den Text. Die Worte ergeben sich aus der Musik.

taz: Sie haben in einem Fernsehinterview mal gesagt, die italienische Sprache sei nicht musikalisch.

Paolo Conte: Ja, sie ist nicht rhythmisch. Sie hat zu lange Wörter. Die eigentlich musikalische

Sprache ist Englisch: ganz, ganz kurze Wörter, mit dem Akzent am Ende. Und weiche, fließende Konsonanten. Das sind musikrelevante Fakten. Ich brauche immer sehr viel Geduld für die Texte, und viele Worte muß ich gewissermaßen zuschneiden, um sie einzupassen.

taz: Eine letzte Frage: Kochen Sie gern?

Paolo Conte: Neinneinnein!

taz: Und essen?

Paolo Conte: Essen ja, aber kochen nicht. Und Männer, die kochen, finde ich schrecklich. Das ist heute ja modern, daß Männer kochen. Was das Kochen angeht, habe ich ein festen Grundsatz. Vor allem: nie nouvelle cuisine, nur die traditionelle Küche. Je unverfälschter, desto besser. Wenn ich essen gehe, achte ich immer darauf, ob eine Frau kocht. Wenn ja, bin ich beruhigt. Wenn es ein Mann ist, interessiert mich die Küche nicht mehr.

Interview und Übersetzung:

Sybille Simon-Zülch