Teerhofkultur: Durch Stückel zum Drittel

■ Hearing der SPD-Fraktion ergab eitel behördliche Freude über die „Kulturwerkstatt“ im eigens dafür gekauften Haus am Deich der Neustädter Weserseite / Gerangel, wer rein darf und Konstruktives zum fehlenden Geld für den Umbau

Um zu widerlegen, die SPD habe ihr Wahlverversprechen gebrochen, lud ihre Bürgerschaftsfraktion am Freitag zum Hearing über die Planungen zur kulturellen Nutzung des Teerhofs und umzu in die Glocke ein. Als Trostpflaster für den Ausverkauf der Weserinsel für private Wohnbebauung hatte Kultursenator Thomas Franke vor der Wahl das berühmte „Kulturdrittel“ auf die Wogen der öffentlichen Empörung geklebt. Hinterher plante aber das Finanzloch dort, wo ein kulturelles Veranstaltungszentrum nebst Kulturwerkstatt gerade freien Initiativen versprochen war, zwei weitere einträgliche Wohnblöcke hin.

Die Empörung der Initiativen, die sich umsonst Hoffnung gemacht hatten, sowie derer, die durch das geplante Museum zeitgenössischer Kunst aus der Weserburg verdrängt wurden und die Proteste vor allem des Beirates Neustadt ließen Senator Franke und Senatsdirektor Hoffmann

druckvoll nach Ersatz suchen und auf der Neustädter Weserseite ein 2.200 qm großes Gebäude mit Lagerhallen kaufen.

Geplant ist nun auf dem Teerhof außer dem Museum in der Weserburg das „Kulturforum“, in dessen oberen Stockwerken ein Gästehaus der Universität entstehen soll. In die mittleren Etagen sollen Vorführ- und Veranstaltungsräume, über die unteren wurde auffällig geschwiegen (Garagen?). Dazu kommt nun auf der Neustädter Weserseite die „Kulturwerkstatt“.

Stolz wie Oskar über das erneute Gelingen seines Lieblingskunststücks (mit weniger Geld grade mehr Kultur) sprang der Kultursenator am Freitag vor den bunten Planzeichungen herum, berauschte erneut mit den metropolitanen Aussichten auf das geplante Sammler-Museum, mit 12.500 Quadratmetern für Kultur insgesamt, und mit der „Kulturachse“, die sich vom rechten Weserufer über den Teerhof und die

„Werkstatt“ bis zum Theater am Leibnizplatz ziehen soll.

Das Hearing machte aber auch Probleme deutlich: Das erste entsteht aus dem scheibchenartigen Übereinander von Gästehaus, für das es Bundesmittel gibt, und Veranstaltungshallen darunter, die dadurch mitfinanziert werden. Wird sich das finanzpolitisch Vermählte vertragen und die Professoren-Gäste oben nicht unter dem Krach drunten leiden? Pit

Kahr, Stadtplanungsamt: „Das geht nicht. Wir können doch die Physik nicht ändern.“ Hinterher, durch Thomas Franke aufgeklärt, zog er seine Skepsis zurück, er hätte das „Kulturforum„für einen Altbau gehalten, im Neubau gilt eine andere Physik. Konrektor Hermann Cordes von der Bremer Universität hätte das Gästehaus viel lieber in Schwachhausen, wurde aber klar beschieden: Gästehaus hier oder überhaupt nicht.

Problem Nr. 2 benannte sehr deutlich der Hochschullehrer Bodo Voigt, der als Vorsitzender der Planungswerkstatt e.V. an Organisation, Umbau und der Finanzierung der „Kulturwerkstatt“ mitarbeitet: Die aus der Weserburg verdrängten großen Initiativen wie Schnürschuhtheater und Musikerinitiative, die zum Teil auf Raumsuche von einem senatorialen unbrauchbaren heißen Tip zum andern hetzen,

haben legitime Raumforderun gen. Nur, wenn drei Initiativen je 350 qm kriegen, ist der „Werkstattcharakter“ dahin. Orientiert an einer Idee Hermann Glasers sollen da verschiedenste Kultursparten miteinander produzieren. Ein bißchen wie in der Villa Massimo sollen KünstlerInnen auf Zeit am Deich wohnen und ihre Kunst vermitteln. Die Planungswerkstatt will dazu Modelle erarbeiten, wer mit wem ins Haus hineinpaßt, über die die Behörde entscheiden muß.

Das Hearing endete konstruktiv: Thomas Franke akzeptierte die Forderung der Planungswerkstatt, bestehende alternative Raummöglichkeiten für die, die nicht ins Haus können, offenzulegen oder über Anmietungen zu verhandeln. Er sagte dem Schnürschuhtheater angemessene Berücksichtigung bei der Nutzung der Veranstaltungsräume im „Kulturforum“ zu. Und schließlich: Das Haus für die Kulturwerkstatt wurde mit knapp 1,85 Mio so teuer gekauft, daß für den Umbau nur noch klägliche 60.000 DM übrigblieben.

Als Voigt in Aussicht stellte, 1 Mio an EG-, Bundes- und Stiftungsmitteln zu besorgen, sagte Manfred Fluß (MdBB der SPD) einen Bremer Umbau-Zuschuß von erst einmal 100.000 Mark zu. Eine Art rot-grün-alternatives-Senat-Uni-Arbeitstreffen war's.

Uta Stolle