Kulturschock auf blankem Eis

■ Halbzeit in der Eishockey-Bundesliga / Der BSC Preussen kämpft um den Anschluß ans Mittelfeld / Tendenz: steigend / Probleme mit den Finnen

Alle zehn Clubs, übrigens ausschließlich von Tschechoslowaken und Schweden trainiert, haben bislang vier Mal gegeneinander gespielt, und die Rollen sind verteilt. Die Endspiel-Teams des Vorjahres, die Haie aus Köln und der SB Rosenheim, haben wieder am Kopf der Tafel Platz genommen, Mannheim, Düsseldorf, Schwenningen und Landshut dürfen auch mal was sagen, und auf den billigen Plätzen heißt es für Frankfurt, Freiburg und Kaufbeuren: Schön ruhig bleiben und die Punkte abliefern. Über die Wortmeldungen des Berliner Clubs, dem BSC Preussen, wird von Fall zu Fall entschieden.

Den Tabellenplatz Nummer 7, der einerseits zu Hoffnungen nach oben Anlaß gibt, andererseits aber auch in den Abgrund der Relegationsspiele mit den Besten der zweiten Liga blicken läßt, bewohnen die Preussen mit wechselnder Blickrichtung.

Nimmt man den 10:1-Sieg gegen Schwenningen („Einer geht noch, einer geht noch rein!“), das Wahnsinnsspiel (6:4) gegen Mannheim („Ehrenrunde, Ehrenrunde!“) und die Auswärtserfolge in Freiburg und Frankfurt, ist die Konversation an der Tafel in vollem Gange. Angesichts der drei hergeschenkten Partien (Stürmer Axel Kammerer) in Landshut, Mannheim und zu Hause gegen Düsseldorf wird um Ruhe gebeten.

Auf Seite 1 des Programmheftes bedankt sich der BSC bei 31 Sponsoren. Sie und ein kalkulierter Zuschauerschnitt von 4.800 haben einen Etat von 3,33 Millionen Mark ermöglicht und damit ein großzügiges Einkaufen auf dem Transfermarkt. Neun Spieler, allen voran der Auswahlstürmer Schorsch Holzmann und die beiden finnischen Silbermedaillen-Gewinner von Calgary, Erkki Lehtonen und Erkki Laine, sind zu Saisonbeginn neu verpflichtet worden. Vier weitere und auch Trainer Olle Öst sind erst seit Dezember 1987 an der Spree.

Das Gemisch aus Tabellenplatz 7 und dem gewaltigen Investitionsklimmzug ruft mehr und mehr Nörgler auf den Plan. Im Mittelpunkt der Kritik: die Finnen - besonders Lehtonen fährt, zugegeben, hinterher. Es fällt auf, daß Olle Öst bis hinab in die zweiten Ligen der einzige ist, der die beiden kostbaren Ausländerplätze mit Skandinaviern besetzt hat. Alle anderen bauen vornehmlich auf Kanadier, die bereits am Flughafen nach Schläger, Eis und vor allem Gegner fragen.

Coach Öst hingegen - die „Finnen-Frage“ wird bei jeder Pressekonferenz gestellt - erinnert an den legendären Verteidiger Seppo Lindström, der ebenfalls bis Weihnachten keine Kufe aufs Eis bekam, dann allerdings über Jahre hinweg bereits zum Frühstück ganze Sturmreihen (quer) verschluckte.

Vielleicht sollte man den Finnen außerdem zugute halten, daß sie nicht nur einem heftigen Kulturschock und einer anderen Spielauffassung ausgesetzt sind, sondern zusätzlich auch der Belastung, ihre Künste in einer Halle vortragen zu müssen, die von AMK verwaltet wird. (Genau! Die taz hat noch immer keine Pressekarte, d. Red.)

Abgesehen davon: Egal, ob Ball oder Puck - man kann kein Team zusammenkaufen, schon gar nicht im schnellsten Mannschaftsspiel der Welt, wo einem nur der Instinkt füreinander weiterhilft, auf die sich rasend schnell ändernden Situationen zu reagieren - und der muß wachsen! Das beweisen alle großen Sturmreihen nicht nur dieser Liga. Das Maximalziel dieser Saison kann nur sein, gegen Köln und Rosenheim Verletzungen zu vermeiden, sich (wie am letzten Freitag) von Frankfurt, Freiburg und Kaufbeuren abzusetzen und gegen den Rest die zweifelsfrei vorhandene Chance zu suchen - und: schön zusammenwachsen!

Olle Öst könnte ohne weiteres der Mann sein, der uns (?) in den nächsten Jahren ein Spitzenteam zusammenfriemelt. Möglicherweise kommt ja demnächst im Zuge der Perestroika ein Mann wie Fetisov nach Berlin, der ohne zu stoppen, wie mit einem Lineal gezogen, von der blauen Linie abzieht, will sagen, wo der Fahrtwind seiner Schlagschüsse bis hinauf auf die Stehplätze die Frisuren nach hinten biegt.

Theo Breiding