Der ganze Senat soll zurücktreten

■ Grüne bereiten Mißtrauensvotum vor / „Senat unfähig zu Neubeginn aus eigener Kraft“ / Parallel soll Generaldebatte über anderes „Modell Bremen“ organisiert werden

Christine Bernbacher, ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete der Bremer Grünen findet es an der Zeit, „da reinzuwichsen, daß die Fetzen nur so fliegen“. Mit „da“ meint Bernbacher den gesamten Bremer Senat und unter „reinwichsen“ versteht sie eine Generalabrechnung der Grünen mit der Regierungspolitik, „die sich gewaschen hat“.

Zweieinhalb Stunden diskutierten Fraktion, Landesvorstand und Kreisvorstände der Grünen gestern über „die Krise der SPD“, die geplante Senatsumbildung und vor allem ihre eigene Rolle als „bislang ausschließlich kommentierende Zuschauer“, ohne sich am Ende einig zu sein. Vier von sieben Abgeordneten stimmten schließlich für die Vorbereitung eines Mißtrauensvotums gegen den Gesamtsenat, Martin Thomas stimmte gegen

die „kurzfristige, aber wahrscheinlich folgenlose Effekthascherei“, Helga Trüpel und Carola Schumann enthielten sich der Stimme, nachdem sie in der Debatte ihre Bedenken gegen „den schlagzeilenträchtigen Polit-Zirkus“ geltend gemacht hatten, der allenfalls zu einem „erneuten Schulterschluß bei der SPD“ führen werde.

Die Mehrheit sah es anders. Für sie ist der Senat erstens sachpolitisch gescheitert - beim Ausstieg aus den Atomstromlieferungen, bei der Förderung von Alternativ-und Kulturprojekten, bei der Vorlage eines Verkehrskonzepts, bei der Beschäftigungsförderung und in der Sozial- und Drogenpolitik. Der Senat ist zweitens moralisch gescheitert

-z.B. bei der Aufarbeitung des St.-Jürgen-Skandals und der Pannen während des Geiseldramas. Und

er hat sich für die Grünen - angesichts der Personalvorschläge von Bürgermeister Wedemeier für eine Senatsumbildung - als unfähig zu einem Neuanfang aus eigener Kraft gezeigt.

Trotzdem: Die Vorbereitung des Mißtrauensvotums soll, so Ralf Fücks, keinesfalls zur „politischen Schlammschlacht“ verkommen, sondern sachliche und personelle Alternativen öffentlich zur Diskussion stellen. Fücks: „Es ist nicht so, daß wir keine inhaltlichen Alternativen anzubieten hätten. Es ist bloß so langweilig geworden, unsere Konzepte immer wieder herunterzubeten, weil wir sie nicht mit Machtfragen verknüpfen können.“ Parallel zur geschäftsordnungsmäßigen Vorbereitung des Mißtaruensantrags soll deshalb auf einem öffentlichen Hearing oder im Rahmen einer größeren Veranstaltungsreihe über ein anderes „Modell Bremen“ nachgedacht werden.

Gute Chancen, politische Alternativkonzepte und neue Köpfe in die Diskussion zu bringen, sieht auch Christine Bernbacher, während die SPD „über die Dörfer tingeln muß, um noch Leute in den eigenen Reihen aufzutun, die anderswo mit einigem Wohlwollen Stadtrat werden könnten.“ Und Landesvorstandsmitglied Jochen Rieß: „Es geht darum, Politik wieder zu emotionalisieren, ein Abfallwirtschaftskonzept allein ist langweilig, spannend wird es erst, wenn sich Leute damit identifizieren, wenn es Machtgefüge verändern kann.“

Bis es so weit ist, müssen die Grünen zunächst bei CDU und FDP mit ihrer Idee eines Mißtrauensvotums hausieren gehen. Mindestens 25 Abgeordneten-Unter

schriften muß ein entsprechender Antrag tragen, um überhaupt in der Bürgerschaft behandelt zu werden.

K.S.