Ceausescus Angst vor seinen Untertanen

■ Ein Jahr nach dem Arbeiteraufstand herrscht im siebenbürgischen Kronstadt (Brasov) der Belagerungszustand

Seit dem Aufstand von Kronstadt (Brasov) in Siebenbürgen heute vor einem Jahr ist die Kritik am Regime des Conducators gewachsen. Ein „Aufruf zu einem europäischen Aktionstag Rumänien“, der von mehreren hundert Intellektuellen aus Ost und West unterzeichnet wurde dürfte heute von Tausenden befolgt werden. In Budapest hat die Opposition zu einer Großdemonstration aufgerufen, in New York und Rom, in Kopenhagen, Sidney, Washington, Wien, in Breslau (Wroclaw) und Zürich, München und Bremen wird protestiert. Und in Berlin machen rumäniendeutsche Schriftsteller mit einem Straßentheater auf die Diktatur aufmerksam. Siehe dazu den untenstehenden Artikel.

Kronstadt einen Tag vor dem Jahrestag des Arbeiteraufstandes 1987: Straßensperren schneiden die Stadt von der Umwelt ab, im Zentrum herrscht Belagerungszustand. An jeder Straßenecke sind Paramilitärs mit Maschinengewehren postiert, Autos mit Geheimdienstleuten kurven Tag und Nacht durch die Straßen. Mit Scheinwerfern leuchten Polizeipatrouillen in die dunklen Winkel der Straßen und Häuser. Auch die Betriebe sind voller Polizisten. Die Sicherheitskräfte haben alles im Griff. 980 Geheimdienstleute sollen zusätzlich in die Stadt mit ihren knapp 100.000 Bewohnern gebracht worden sein. So deutet wenig darauf hin, daß eintritt, was das Regime befürchtet: daß sich der Aufstand vom vergangenen Jahr wiederholt. Der Protest wird ein stiller sein. Angesichts der Lage ist in einigen Betrieben die Parole ausgegeben worden: Wir gehen nicht zur Arbeit. Wir werden den ganzen Tag im Stadtzentrum herumspazieren.

Als vor einem Jahr die 6.000 Arbeiter der Traktorenfabrik „Steagul Rosu“ die Revolte begannen, weil sie sich weigerten, an den Wochenenden auch noch Extraschichten zu fahren, obwohl sie seit Monaten keinen Lohn mehr erhalten hatten, war die Polizei noch überfordert. Und als die Streikwelle dann auf andere Betriebe übergriff und Tausende im Stadtzentrum die Geschäfte plünderten, dauerte es über vier Stunden, bis es den „Ordnungskräften“ gelang, die Menge mit Tränengas auseinanderzutreiben. Die Rache war um so härter. Hunderte von Arbeitern mußten die Aktionen mit Gefängnisstrafen bezahlen, noch heute sind 64 Arbeiter in Haft.

Roland Hofwiler