Erst rüsten, dann verhandeln

Hamburg (taz) - „Bleib stark und verhandle.“ Die Befolgung dieses Grundsatzes forderte NATO-Oberbefehlshaber Galvin gestern vor dem Militärausschuß der in Hamburg tagenden Nordatlantischen Versammlung (NAV). Einseitige Vorleistungen wären der größte Fehler in Abrüstungsverhandlungen mit der UdSSR, führte er aus. Auch von der bisherigen Militärstrategie der Vorwärtsverteidigung und flexiblen Reaktion wollte der ranghöchste NATO-Soldat nicht abrücken. Da aber für die Vorwärtsverteidigung „eine große Feuerkraft“ nötig sei, müßten die konventionellen Waffensysteme modernisiert werden.

Als Berichterstatter des Militärausschusses hob dann Karsten Voigt (SPD) den Widerspruch zwischen der Abrüstungsrhetorik der Politiker und dem Festhalten an der herrschenden Militärdoktrin hervor. Da eine starke Reduzierung der Streitkräfte eine veränderte Miltiärstrategie erzwinge, müsse langfristig in diese Richtung nachgedacht werden, wenn Aberüstungsappelle ehrlich gemeint seien. Damit traf er jedoch auf wenig Gegenliebe. Einen weiteren Dämpfer dürfte Voigts Optimismus durch den Resolutionsentwurf zu „Gorbatschows Herausforderung für das Bündnis“ erhalten haben. Darin wird Gorbatschow nicht nur vorgeworfen, mit seinen Abrüstungsvorschlägen „die Entschlossenheit und den Zusammenhalt des Westens“ schwächen zu wollen; es wird auch dazu aufgefordert, „die erforderlichen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Wirksamkeit der nuklearen und konventionellen NATO -Streitkräfte zu ergreifen“.

Kai Fabig