Prozeß aushungern

■ Türkische Angeklagte im Radio-Bremen-Prozeß wollen das Ende des Verfahrens mit einem Hungerstreik erzwungen

„Wir streiken so lange, bis der Prozeß eingestellt wird. 60 Tage können wir aushalten.“ Eine Frau und vier Männer aus der Türkei haben am Montag nachmittag zwischen der Bürgerschaft und dem Rathaus ein kleines Zelt aufgeschlagen und nehmen keine Nahrung mehr zu sich. Sie verbringen Tag und Nacht auf dem Straßenpflaster. Während der ersten Nacht haben Freunde vor dem Zelt auf dem Marktplatz Wache gehalten. Ziel ihrer Aktion: Das Strafverfahren gegen die 17 türkischen Revolutionäre, die am zweiten Mai Studios von Radio Bremen besetzt haben, soll eingestellt werden. Unter den Hungerstreikenden sind zwei der Angeklagten.

Die 17 Demonstranten waren in das Studio gekommen, um während der türkischen Regionalsendung „Biz Bize“ eine Protesterklärung verlesen zu lassen. Über den Sender sollte der türkische Staat wegen brutaler Polizeieinsätze gegen Studenten angeprangert werden. Die Radio-Bremen -Verantwortlichen weigerten sich, Polizei umstellte das Funkhaus. Doch dann gab es eine gütliche Einigung: Am folgenden Tag wurde zwei der Demonstranten life über ihre politischen Motive interviewt. Radio Bremen

verzichtete auf eine Strafanzeige. Dennoch nahm der politische Staatsanwalt Hans Georg von Bock und Polach Ermittlungen auf. Bereits dreimal wurde bisher gegen Halil K., einen der Studio-Besetzer, vor Gericht verhandelt. Für Staatsanwalt von Bock zweimal zuviel. Er war am ersten Verhandlungstag bereit, das Verfahren gegen eine Geldbuße von 400 Mark an amnesty international zu begraben. Nicht so der Angeklagte Halil K. Er fühlt sich mit der Aktion im Studio von Radio Bremen im Recht und verlangte einen Freispruch.

„Seit wir im Hungerstreik sind, hat der Staatsanwalt Panik“, sagte einer der jungen Türken. Den Eindruck machte von Boch nicht, als er gestern während seiner Mittagspause im hellen Mantel und dunklen Hut mal kurz am Zelt der Hungernden vorbeischaute und sich ein Flugblatt abholte. „Viel Erfolg“, soll er ihnen schon beim ersten Besuch am Morgen gewünscht haben. Ob er damit das Ende des Verfahrens meint? Gegenüber der taz mochte er dazu nichts sagen. Wenn der Prozeß morgen um 14 Uhr im Amtsgericht fortgesetzt wird, kommt der Angeklagte Halil K. direkt aus dem Streikzelt auf die Anklagebank.

mw