Wohin mit den lieben Kleinen?

■ Studenten-Eltern: eine unscheinbare Minderheit, die im Uni-Alltag kaum vorgesehen ist / Uni-KiTas überfüllt, Pflicht- und Abendveranstaltungen, Unverständnis bei Kommilitonen - Kinderbetreuung wird zum „Eiertanz“

„Manchmal bin ich schon ganz schön neidisch auf die anderen. Wenn die nach einer Veranstaltung am Abend noch locker ein Bier trinken gehen, und ich weiß, ich muß nach Hause, mein Kind wartet“, sagt Anne. Sie studiert an der TU Szialpädagogik. Ihr Sohn Yoann ist anderthalb. „Ich würde so gerne dieses Semester noch Vorlesungen besuchen“, erzählt Daniela, die zur Zeit an ihrer Diplomarbeit im Fach Sozialpädagogik schreibt. „Aber wenn du ein Kind hast, kannst du eben nicht alles haben.“ Ihre Tochter Xenia ist zwei Jahre alt.

Studenten mit Kindern - eine fast unsichtbare Minderheit. Keiner weiß, wieviele sie genau sind, sie tauchen in keiner Universitätsstatistik auf und sind an der Uni eigentlich so die Erfahrung vieler Studenten-Eltern - nicht vorgesehen. Auf die besonderen Probleme, die auf Studenten mit Kind zukommen, wird im Lehrplan keine Rücksicht genommen. Und auch die Kommilitonen haben oft keine Ahnung, was sich durch das Kind für ihre Mitstudenten geändert hat.

Nur abends nach neun Uhr kann sich die Informatikstudentin Kerstin an ihre Studienarbeit setzen. Wenn dann plötzlich Tochter Friederike (vier Monate) anfängt zu weinen, ist die Konzentration weg. „Dann brauche ich oft eine halbe Stunde, um wieder reinzukommen.“ Andreas studiert Wirtschafts -Ingenieurwissenschaften: „Meine Kommilitonen geben sich alle furchtbar männlich. Die interessieren sich nur für ihre Karriere und haben mit 30 schon ihr erstes Magengeschwür. Für Kinder haben die kein Verständnis.“ Für ihn ist Tochter Johanna dagegen zur Zeit wichtiger als das Studium.

Wenn beide Elternteile studieren, ist es oft leichter, die Kinderbetreuung zu teilen. Barbara und ihr Freund - sie studierte Architektur, als das Kind kam, er Maschinenbau haben sich deshalb bewußt für ein Kind während des Studiums entschieden: „Ein paar Semester mehr oder weniger, haben wir gedacht, ist nicht so schlimm.“ Aber auch Barbara hat beobachtet: „Mit dem Kind schafft man einfach nicht mehr so viel wie vorher.“

„Und wie regelt ihr das?“ Die Frage der Kinderbetreuung ist das Hauptproblem für die meisten Studenten-Eltern. Eine Möglichkeit für Kinder von eins bis sechs Jahren sind die KiTas des Studentenwerks. 80 Plätze können zur Zeit angeboten werden. Vor allem für Kinder von eins bis drei besteht ein großer Bedarf, die Wartezeiten betragen bis zu anderthalb Jahre. Die FU unterhält in Dahlem einen eigenen Kindergarten mit 174 Plätzen. Zum Problem werden oft Seminare und Veranstaltungen am späten Nachmittag und Abend: „Dann fragen immer wieder Eltern, kann das Kind nicht länger bleiben?“ erzählt die KiTa-Leiterin des Studentenwerks, Wiltrud Woddack. Aber auch sonst kann die Organisation der Kinderbetreuung, wie Anne, die Mutter von Yoann, sagt, „zum Eiertanz“ werden. Wohin mit dem Kind, wenn es krank, die Tagesmutter verhindert oder das Pärchen, mit dem man sich in der Betreuung abwechselt, in Urlaub ist - und die Vorlesung wichtig, die Veranstaltung anwesenheitspflichtig ist? Oft bleibt nichts anderes übrig, als die Kinder mit an die Uni zu nehmen. „Ich bin dann immer ganz nervös, ob die Kleine nicht anfängt zu schreien“, erzählt eine Mutter. „Und weil ich mir die ganze Zeit darüber Gedanken mache, kriege ich von der Vorlesung natürlich auch nur die Hälfte mit.“

An der TU hat sich inzwischen eine Gruppe von Studenten -Eltern gebildet, die von der Universität in solchen Fällen eine Hilfeleistung fordert. Die Mütter und Väter - die meisten studieren am Fachbereich 22 Sozialpädagogik/Erziehungswissenschaften - fordern in ihrem Gebäude einen Kinderraum und die Einstellung von ein oder zwei Erziehern. Anne: „Bei uns am Fachbereich studieren viele Frauen mit Kindern. Viele sind Alleinerziehende. Wir finden, daß die Uni sich etwas einfallen lassen muß, wie sie diese Schwierigkeiten auffängt.“ Beim zweiten Treffen finden sich bereits elf Frauen, ein Mann und neun Kinder ein. Überlegt wird jetzt, wie die Forderungen am besten durchgesetzt werden können.

Interessenten können sich unter der Telefonnummer 781 52 09 melden.

-guth