Erste Anerkennung für Palästina

■ Schon 19 Regierungen erkennen den neuen Staat an / Auch Minister Möllemann dafür / Shamir: Ein weiterer Schritt zur Vernichtung Israels

Berlin (taz/afp/ap) - Drohungen aus Israel und Anerkennung aus bislang 19 Staaten - der neue Palästinenserstaat trifft auf erste Reaktionen. Die israelische Regierung hat die Gründung des Staates Palästina durch den Nationalrat der PLO in Algier in Bausch und Bogen abgelehnt. Für Ministerpräsident Jitzhak Shamir handelt es sich bei der Unabhängigkeitserklärung, die in der Nacht zum Dienstag verkündet wurde, um „einen weiteren Schritt im Kampf der arabischen Terrororganisation zur Vernichtung der Selbstständigkeit und Existenz Israels. Wir werden entsprechend reagieren“, drohte Shamir. Israel müsse die Welt auffordern, diesem „palästinensischen Gebilde“ jedwede Hilfe oder Anerkennung zu versagen, denn eine Anerkennung bedeute eine „Unterstützung für die Versuche, Israel zu vernichten“.

Bis Mittwoch abend hatten 19 Regierungen den neu ausgerufenen Staat anerkannt. Dazu zählen neben arabischen und islamischen Staaten auch das Nato-Land Türkei. In Washington erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, man werde die Schlußdokumente der Tagung in Algier sorgfältig prüfen, fügte jedoch hinzu: „Die Haltung der Vereinigten Staaten zur PLO ist unverändert.“ In Moskau reagierte der Sprecher des Außenministeriums, Gennadi Gerassimow, zurückhaltend. Er begrüßte die Anerkennung der umstrittenen UNO-Resolutionen 242 und 338, die eine indirekte Anerkennung Israels beinhalten, und bezeichnete diesen Schritt als eine sehr gute Grundlage für ein umfassendes Nahost-Abkommen. Was die Anerkennung des Staates angehe, so liege der Sowjetunion noch kein entsprechender Antrag der palästinensischen Seite vor, sagte Gerassimow. In New York ließ der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Javier Perez de Cuellar, mitteilen, er messe der Tagung des Nationalrats „größte Bedeutung“ bei.

In der Bundesrepublik haben mehrere Politiker von Regierung und Opposition die mit der Staatsgründung verbundene Anerkennung Israels durch die PLO unterstrichen und gleichzeitig die Forderung nach einer Friedenskonferenz erneuert. Als erster Bonner Fortsetzung Seite 2

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Minister rief Jürgen Möllemann zur Anerkennung Palästinas auf. Die Grünen bewerteten das Vorgehen der PLO als einen „großen Schritt nach vorne zu einem Frieden im Nahen Osten und zur Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes des palästinensischen Volkes“.

In Israel selbst steht Ministerpräsident Shamir keineswegs allein mit seiner totalen Ablehnung der Ergebnisse von Algier. Die Reaktion des Außenministeriums, dem bislang noch Shimon Peres von der Arbeiterpartei vorsteht, fiel kaum weniger negativ aus. Ariel Sharon, möglicher Außenminister in einer Rechtsregierung unter Shamir, meinte gar, die beste Antwort auf den Beschluß des Nationalrats sei eine partielle „Angliederung“ der besetzten Gebiete. Tsomet, die Partei des ehemaligen Stabschef im Libanonkrieg, Rafael Eitan, gab bekannt, daß sie ihr Hauptquartier von Tel Aviv in das arabische Ostjerusalem verlegt hat.

General Mitzna, israelischer Kommandant für die Westbank, empfand Bedauern für die Palästinenser: „In dem weit entfernten Algerien nimmt man nicht einmal Rücksicht auf die Bevölkerung hier und erklärt mitten in der Nacht die Unabhängigkeit ... All das geschieht weit weg und ist völlig bedeutungslos. Nichts, was dort beschlossen wird, ist hier durchführbar. Hier entscheiden unsere Beschlüsse, und was wir entscheiden, das wird auch geschehen.“ Das zu verdeutlichen, darin liegt offenbar auch das Ziel der massiven Repressionsmaßnahmen der letzten Tage: Wenn sie die geplanten öffentlichen Feiern aus Anlaß der Unabhängigkeitserklärung im Keim ersticken können, so hoffen die Besatzer, wird dieser Schlag die Palästinenser nicht nur zu der Erkenntnis führen, daß sich an ihrer Lage nichts ändert, sondern auch zum kläglichen Zusammenbruch der Intifada. Solche Prognosen gab es im letzten Jahr freilich wiederholt.

A. W., B. S.