Macht Gott TBC ?

■ „Einer trage des anderen Last“: ein liebenswürdiger DDR-Film mit Kernsprüchen und schleichender Didaktik

Was haben ein DDR-Volkspolizist und ein evangelischer Vikar gemeinsam? Eine ganze Menge dunkle Schatten. Auf der Lunge.

„Denken Sie daran, es geht Sie nichts an, absolut nichts“ ist einer der ersten Kernsprüche in Lothar Warnekes DEFA -Produktion Einer trage des anderen Last. Ruhe braucht der Lungenkranke und völlige Abgeschiedenheit von allen streßbringenden Dingen des Lebens. Doch so leicht ist das gar nicht. Denn wenn es der Oberschwester Walburga gefällt, dann müssen eben auch so unterschiedliche Charaktere wie der Polizist Josef Heiliger (Jörg Pose) und der angehende Geistliche Hubertus Koschenz (Manfred Möck) miteinanderauskommen. Beide Männer sind 1950 in einer Lungenheilanstalt fern ab jeglicher Hektik gemeinsam in einem Zimmer untergebracht.

„Es ist unser Heiland“ sagt Hubertus, als sein Nachbar, der sich immer zweideutig mit „Heiliger, Josef“ vorstellt, ungläubig auf das Christusbild starrt, das von nun an gleichberechtigt neben Stalins Konterfei hängen soll. Im neu formierten Arbeiter- und Bauernstaat haben schließlich fortan auch die Krankenhäuser gottlos zu sein, doch das läßt der engagierte Christ auf keinen Fall zu.

„Bevor man sich vereinigt, muß man sich erst klar abgrenzen“ ist dann auch ihr Leninsches Abkommen vor einem sehr fragilen „Waffenstillstand“.

Es ist sicherlich nicht leicht, in der Deutschen Demokratischen

Republik einen Film zu drehen, in dessen Mittelpunkt der Konflikt zwischen Kirche und Staat steht. Eine schleichende Didaktik mit dem berühmten Zeigefinger schwebt sofort drohend über einer solchen Produktion, denn in Babelsberg, dem Hollywood der DDR, werden auch heute keine Spielfilme im politisch luftleeren Raum hergestellt.

Warneke ist es nicht ganz gelungen, das erzieherische Pathos des real existierenden Sozialismus zu verbergen, doch das muß nun gar nichts Negatives bedeuten. Die verkniffene Moral der beiden Hauptfiguren erzeugt ganz im Gegenteil Spannung und bedeutet ein ständiges Auf und Ab im lahmen Leben in der Einöde.

„Ich verlange von Ihnen ein Optimum an Reife, Takt und Toleranz“, fordert der Chefarzt energisch und meint damit nicht nur die ständigen Kabbeleien der beiden Kontrahenten, sondern auch ihre Einstellung zum Leben schlechthin. Gerade dieser Aspekt des Miteinanders macht Warnekes Kinowerk so liebenswürdig. „Soll die Milch sauer werden?“ lautet der bissige Kommentar der Schwester, als sich die ungleichen Partner auf Zeit einen lauten Sängerwettstreit Internationale versus Choräle bieten und vereint mit blutigem Auswurf für die körperlichen Konsequenzen geradestehen müssen.

Den beiden drögen Gestalten und ihrer sturen Haltung setzt Warneke das stilvolle Ambiente eines auf rigorose Etikette bedachten Sanatoriums entgegen, in dem schon die oktroyierte Tischdame eine Annäherung an jüngere, attraktivere Frauen, wie Sonja (Susanne Lüning) unmöglich macht. Doch trotz SED -Propaganda, Loch in der Lunge und ungeduldigem Bangen auf Heilung setzt der Gottesmann ein Fanal der Nächstenliebe und rettet dem Atheisten das Leben.

So endet das Aufeinanderzugehen und Wiederabgrenzen in der moralübergreifenden Grauzone purer Menschlichkeit. „Dann lasset uns dem nachstreben, was dem Frieden dient“, ist eine der letzten Sentenzen. Völlig richtig, es weihnachtet sehr.

J.F. Sebastian

Cinema 21 Uhr