Das Vermächtnis der Bhuttos

Benazir Bhutto ist die erste Frau an der Spitze eines islamischen Staates  ■  Aus London Rolf Paasch

Die Bhuttos: ein Clan von Großgrundbesitzern, die sich durch nichts von den unumschränkt und mit Gewalt herrschenden Feudalherren der Provinz Sind unterschieden - bis dann ein aufgeklärter Großvater in den 50er Jahren den Erben Zulfikar Ali Bhutto an die europäischen Universitäten von Berkeley und Oxford schickte. Zurück kam ein erfolgreicher Anwalt, ein brillanter Redner, ein verwestlichter, gut aussehender Playboy, dessen Charme und Charisma ihn zum populistischen Führer prädestinierten. Benazir, die Erstgeborene aus seiner zweiten Ehe, wich von nun an - soweit es die Geschäfte des aufstrebenden Politikers erlaubten - nicht mehr von seiner Seite. Papa's Liebling wurde wie ein Sohn auf ihre zukünftige Rolle an der Spitze des Bhutto-Clans vorbereitet, einer Familie, die sich gerade anschickte, von der Provinzbühne des Sind in das Rampenlicht der (Welt -)Öffentlichkeit zu treten. 1968 erkannte Zulfikar Ali Bhutto die Gunst der Stunde: Er vereinigte rebellierende Studenten und Arbeiter in der neugegründeten „Pakistan People's Party“ (PPP) und nach den ersten halbwegs demokratischen Wahlen des bis dato vom Militär beherrschten Staates an die Spitze Pakistans. Der Preis war die Abspaltung Ost-Pakistans, des heutigen Bangladesh. 1977 setzten die Militärs unter Zia-ul-Haq dem - mehr oder weniger - demokratischen Zwischenspiel ein Ende. Nur Wochen, nachdem Benazir nach Abschluß ihres Studiums in Berkeley und Oxford nach Pakistan zurückgekehrt war, wurde Zulfikar Ali Bhutto von Zias Schergen am 4.November 1979 hingerichtet.

Von nun an mußte Benazir Trauer tragen. Sie und ihre Mutter Nusrat verbrachten Jahre in den Gefängnissen Zias und unter Hausarrest, bis beide zu ärztlicher Behandlung in den Westen ausreisen durften. Aber auch im Londoner Exil hat Benazir das Vermächtnis des Vaters nie vergessen. Für sie gab es immer nur ein Ziel, das sie mit fast kindlicher Sturheit immer wieder proklamierte: die Rückkehr nach Pakistan, die Wiedervereinigung der unter Zia entmachteten und gespaltenen PPP, freie Wahlen und die Rückkehr der Demokratie unter einer Premierministerin Benazir Bhutto. Die triumphale Rückkehr wurde ihr 1986 erlaubt, doch die Wiedervereinigung der PPP, das Erkämpfen politischer Handlungsspielräume unter dem Regime erwiesen sich als äußerst schwierig; erst der Tod Zias bei einem Flugzeugabsturz eröffneten Benazirs Partei den Durchbruch. Und nun steht sie am Ziel ihrer Wünsche: Benazir ist an ihres Vaters Stelle angelangt. Was diese erste Frau an der Spitze eines islamischen Staates Pakistan bringen wird, ist derweil völlig unklar - und nicht nur, weil die Armee da ein gehöriges Wörtchen mitzureden hat. Niemand weiß, was hinter dieser bisher so zielstrebig, so „single minded“ auftretenden Tochter Bhuttos wirklich steckt: einige halten sie für naiv, andere für clever. Sie besitzt zweifellos Charisma, ohne für dieses zusammengeflickte Land die dringend notwendige Vision liefern zu können. Und ihre Politikvorschläge sind so platt, pragmatisch und pro-amerikanisch, daß sich besonders die Linke fragt, was sie überhaupt anders machen wird als die von ihr so gehaßten Militärs. Dennoch ist diese Tochter der Bhuttos die einzige politische Figur, die Pakistan derzeit aus den Fängen der Militärs befreien könnte. Deswegen ist sie wohl gewählt worden.