Erkun Dung

■ Noch ein Gorleben-Urteil

Die Sache ist schwierig. Gesunder Menschenverstand ist kaum gefragt. Es geht um den Unterschied zwischen „bauen“ und „erkunden“. Wer ein Endlager als letzte Ruhestätte für mehrere tausend Atombomben-Äquivalente an Atomabfall baut, der braucht - das sieht man ein - eine atomrechtliche Genehmigung. Wer ein Endlager erkundet, braucht sie nicht. Also wird erkundet. In Gorleben wird seit elf Jahren erkundet, und es wird noch weiter erkundet - bis ins Jahr 2002. Es wird 25 Jahre lang erkundet. Im Jahre 2002 ist der Salzstock ausgehöhlt, sind zwei Schächte abgeteuft, sind 25 Jahre Arbeit investiert, sind zig Milliarden verbraten. Dann ist das Endlager zu 90 Prozent fertig, dann kann der Bau beginnen.

Wenn wir dieses juristische Denken akzeptieren, dann hat das, was in Gorleben passiert, also nichts mit der Errichtung einer Atomanlage zu tun. Dann gibt es kein im Entstehen befindliches atomares Endlager. Es wird erst mit dem dann so genannten Baubeginn im Jahre 2002 materiell. Wie kann dann aber dasselbe nicht existierende Endlager - schon jetzt -als Entsorgungsnachweis dienen? Wie kann es sein, daß alle Vertreter der Atomgemeinde das Endlager als reale Größe in ihre Entsorgungskonzepte integriert haben? Wie kann die Atomindustrie die Fortschritte in Gorleben rühmen, wenn dort ohne Vorwegnahme der Bauentscheidung nur ein wenig erkundet wird?

Es gibt nur eine Antwort: Das Entsorgungskonzept existiert gar nicht, der Entsorgungsnachweis existiert nicht, die Entsorgung existiert nicht, sie wird noch „erkundet“. Müssen also die Gorleben-Kläger gegen die nicht vorhandene Entsorgung klagen? Müssen sie nicht. Das haben schon andere vergeblich bei Gericht erkundet.

Manfred Kriener