Bilder aus einer Freundschafts-Stadt

Eine Bremer Reisegruppe erkundete zwei Tage lang die zukünftige Partnerstadt Bremens in der Tschechoslowakei, Bratislava / Über Kaffee, den Wert des Geldes, Freundschaft, Bürokratie und Fortschritt  ■  Aus Bratislava K. Wolschner

1. Was eine Tasse Kaffee kostet

Was kostet eine kleine Tasse (schwarzen, türkischen) Kaffees in Bratislava, der zukünftigen Partnerstadt Bremens in der Slowakei? Sieben tschechische Kronen - ganz einfach. Und was sind sieben Kronen? Die bundesdeutsche TouristIn ist beim Preisvergleich reichlich in Nöten. Sieben Kronen bekommt man als Westdeutscher an der Wechselstelle für ungefähr eine Mark. Aber für sieben Kronen bekommt man längst nicht eine Westmark. Auf dem Schwarzmarkt würde für eine Mark gleich mehr als das Doppelte an Kronen geboten: Der Kaffee kostet also 50 Pfennig. Für eine SlowakIn allerdings mit Arbeiter oder Frauenlohn zwischen 1.000 und 3.000 Kronen müßte man beim Vergleich 1:1 denken. Unsere freundlichen Gastgeber geben für einen Kaffee also das von ihrem Lohn, was bei uns sieben Mark wert wäre.

Wenn man über Geld und

Preise redet, bekommt das Verhältnis zwischen Bremen und Bratislava schnell einen Zug spätkolonialer Ungleichheit.

2. Empfang beim Primator

„Wenn man sich die Hand gibt, muß man wissen, mit wem man es zu tun hat“, sagt der stellvertretende Primator von Bratislava, Kovac. Er spielt die Rolle, die in Bremen zweiter Bürgermeister genannt würde. Bremen und Bratislava wissen voneinander zwar noch herzlich wenig, dennoch zeigte er sich diese Woche beim Besuch einiger Bremer JournalistInnen zuversichtlich, daß sich hier zwei Städte gefunden haben, die bestimmt sind, Freunde zu werden.

Im kommenden Frühjahr soll die Partnerschaft in Bremen feierlich unterzeichnet werden. Die Idee dazu ist in der slowakischen Hauptstadt geboren worden, zeigen sich dortige Gesprächspartner überzeugt, denn West-Partnerschaften versprechen einer bestimmten Schicht von Funktionären West -Reisen. In der bremi schen Sektion der deutsch tschechoslowakischen Freund

schaftsgesellschaft war es aber ein Kaufmann von der Weser, der mit Bratislava Handelsgeschäfte macht und auf die Idee kam, weiß die deutsche Version über den Ursprung der geplanten Freundschaft.

Am Dienstag dieser Woche machte sich eine Reisegruppe von ca. 50 BremerInnen auf, die Hauptstadt der Slowakei kennenzulernen - in der Mehrzahl ArbeitersängerInnen des Shanty-Chores, daneben einzelne Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft und JournalistInnen. Anlaß der Reise war die kleine Ausstellung deutscher Kinderbücher, deren feierliche Eröffnung der Bürgerschaftspräsident Dieter Klink kurz vor dem Fußballspiel Belgien-Tschechoslowakei auf seinem Terminkalender hatte. Da die Kinderbücher aus der CSSR den bundesdeutschen um Längen voraus sind, war dieser Einstieg in die Städtebeziehung hinreichend harmlos.

3. Sozialistischer Aufbau

Bratislava war früher als „Preßburg“ im Schatten Wiens gelegen, nur einen Sprung über die

Donau, und dort hatte man wenig Geld, die Gebäude des traditionsreichen Städtchens abzureißen und neuzubauen. Preßburg wurde jahrhundertelang durch keinen Krieg zerstört. Aber 1945 vertrieben hier die sowjetischen Truppen die Faschisten, und 1948 begann der sozialistische Aufbau - wo 130.000 Bewohner in traditionsreichem Gemäuer gemütlich gelebt hatten, wurden Wohnungen für 430.000 gebaut. Ein großer Jammer jeden Denkmal pflegers.

4. Geplanter Fortschritt

Mitten in Bratislava liegt der Betrieb Gumon, der Kupfer und Plastikbeschichtungen herstellt. Besichtigen durfte die Bremer JournalistInnen-Gruppe dieses Werk nicht, aber der Direktor und seine drei Kollegen nahmen sich reichlich Zeit für unsere Fragen. „Luftverschmutzung kommt in Bratislava von den Autos“, glaubt die Unternehmensleitung. 99 Prozent der Abluft des Werkes werde in einem modernen Verfahren verbrannt, versicherte er, die Anlage dafür

wurde vor 12 Jahren im Westen gekauft.

Eine Stunde später erfuhren wir beim Bürgermeister Primator, daß die Anlage hoffnungslos veraltet ist, und bis zum Jahre 2000 soll Industrie raus aus dem Stadtgebiet.

Überhaupt denkt der Primator

plan-radikal. In der Bürokratie seien nicht ein Drittel zu viel Leute beschäftigt, wie behauptet wird, sondern seiner persönlichen Auffassung nach seien zwei Drittel der Bürokraten überflüssig.

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