GESCHÄFTSPARTNER

■ Koltes „In der Einsamkeit der Baumwollfelder“ in der Vagantenbühne

Die Situation ist zugespitzt bis auf's Äußerste, fast minimalistisch und ganz ohne Schnörkel, ein Gleichnis. Da stehen sich zwei Männer gegenüber, irgendwo außerhalb der Städte und jenseits dieser Welt. Zwei Männer tragen mit Worten ein Duell aus. Die klassischen Fechtszenen, das sind hier die eleganten Redefiguren, weit ausgreifende Hypothesen und geschickte, von hinten zustechende Demütigungen wie im Western wird unter Männern das Eigentliche, um das es wirklich geht, nicht ausgesprochen. Das ist das Spiel.

In Bernhard-Marie Koltes Stück mit dem schönen poetischen Namen „In der Einsamkeit der Baumwollfelder“ stehen sich „Der Kunde“ und „Der Dealer“ gegenüber. Man erfährt ihre Lebensgeschichte so wenig wie die des Autors, der von sich sagt: „Ich bin irgendwo in der Provinz geboren und werde sterben.“ Vor unseren Augen findet ein existenzielles Ringen dieser auf die kapitalistischen Grundtypen - Käufer und Verkäufer - reduzierten Figuren statt. Diese Männer ringen im Gespräch miteinander und nennen es Kaufverhandlung. Dabei geht es in diesem spannenden Dialog nicht um die Ware oder deren Preis, sondern um deren Namen. Alles dreht sich um Wissen und Nicht-Wissen und das Aussprechen des Wunsches; denn der Dealer weiß nicht, was der Käufer will, der Käufer weiß nicht, was der Dealer hat. So versuchen beide mit allen rhetorischen Mitteln überaus sensibel und mit weitreichenden Vermutungen das eigene Geheimnis zu bewahren und dem anderen seines zu entreißen.

Koltes Dialog entpuppt seinen Gleichnischarakter und eine sprachphilosophische Dimension. Denn der Wunsch des Dealers ist es, den Wunsch des Kunden zu hören, schon das Aussprechen des Wortes wäre für ihn befriedigende Wunscherfüllung. Die Dynamik dieses Wortwechsels entsteht durch die Heftigkeit, mit der der Wunsch erfüllt werden soll, und durch die Angst beider, durch eine Preisgabe enttäuscht, gedemütigt, zurückgewiesen zu werden.

In der Inszenierung von Burkhard Meise in der Vagantenbühne werden die komplizierten psychologischen Rückzugsmanöver ganz langsam entwickelt. Auf der eher schlichten als kargen Bühne werden erst ganz allmählich, wenn man klarer sieht, worum es geht, die Gesichter der Schauspieler und begrenzenden Backsteinmauern beleuchtet.

Der Dealer, in Jeans, hellem Hemd und schwarzer Uralt -Weste, eher unauffällig-normal gekleidet und von Thomas Wolff gespielt, erinnert mit seinem einfühlsamen Gestus anfangs an den Sozialarbeiter aus der Beratungsstelle nebenan. Der von Torsten Sense gespielte Kunde im hochgeschlossenen Zweireiher mit Halstuch und Zopf könnte der kleine Bruder von Peter Handke sein. Blaß und sensibel, fast überempfindlich begründet er seine Aggressivität aus einer inneren Verletzung. Der Zuschauer wird erst langsam, dann immer faszinierter hineingezogen in das Ritual dieser beiden Antagonisten, die einander sprachlich umtänzeln wie im Boxring. Und welche Erleichterung, daß die psychologischen und spitzfindigen Verknotungen und Unterstellungen auf der Bühne einmal nicht die Szenen einer Ehe oder ungelösten Beziehungskiste nachinszenieren, sondern nur die Einsamkeit der Baumwollfelder.

Susanne Raubold