Ein Sieg für Pro Familia

Der Landkreis Breisgau im Hochschwarzwald, der auf Betreiben der CDU der örtlichen Pro Familia wegen angeblich rechtswidriger Beratungspraxis die Zuschüsse sperrte, unterliegt rechtskräftig vor Gericht  ■  Von Helga Lukoschat

Wer entscheidet, ob eine §218-Beratungsstelle sich an den Wortlaut des Gesetzes hält? Wer überprüft und kontrolliert die BeraterInnen? Darf eine kommunale Behörde eigenmächtig die Zuschüsse sperren, wenn sie einer Beratungsstelle mißtraut?

Zu diesen Fragen hat das Verwaltungsgericht Freiburg nun ein klares Wort gesprochen, das politische Signalwirkung hat. Das Gericht verpflichtete den Landkreis Breisgau -Hochschwarzwald, die für die Jahre '86 und '87 gesperrten Zuschüsse in Höhe von rund 26.000DM an die Freiburger Pro Familia auszuzahlen. Die CDU-Mehrheit im Kreistag hat das Vorenthalten der Gelder damit begründet, Pro Familia nehme eine „Abtreibungsberatung“ vor und stelle „Persilscheine“ für den Schwangerschaftsabbruch aus. Dagegen befand das Gericht die Anschuldigungen als „sachlich ohne Grund und willkürlich“. Den Landkreispolitikern wurde darüberhinaus die Kompetenz abgesprochen: über die Tätigkeit einer Beratungsstelle und ihre Anerkennung habe allein das baden -württembergische Sozialministerium als zuständige Aufsichtsbehörde zu entscheiden. Dort aber hätten keine „rechtlichen Bedenken bestanden“. Weiterhin gebiete der Gleichheitsgrundsatz eine gleichartige Vergabepraxis. Im Klartext: Wenn der Landkreis kirchliche und caritative Einrichtungen subventioniert, muß er dies auch bei Pro Familia tun. Und weiter hieß es in der Urteilsbegründung: nicht „jede beliebige Stelle“ könne es sich zur Aufgabe machen, die Beratungstätigkeit von Pro Familia zu überwachen.

Vorausgegangen waren dem Rechtsstreit monatelang Vorwürfe und Intrigen gegen die unliebsame Pro Familia, der „das Handwerk gelegt“ werden sollte, so die Äußerung eines CDU -Ortsverbandes. Als Beweis für die angeblich rechtswidrige Beratungspraxis wurde schließlich die eidesstattliche Erklärung einer Klientin angeführt. Die Frau hatte darin behauptet, innerhalb von wenigen Minuten die notwendigen Bescheinigungen erhalten zu haben. Die Erklärung konnte der Überprüfung nicht standhalten. Pro Familia verzichtete jedoch darauf, Rechtsmittel einzulegen, weil ihr die Frau, die vermutlich als „U-Boot“ mißbraucht worden sei, auch „leid getan habe“, wie ein Mitarbeiter erklärte.

Die CDU-Ortsverbände im Hochschwarzwald und Oberschwaben spielen seit längerem die Rolle der Scharfmacher in Punkto §218. Auf dem baden-württembergischen Parteitag der Union im vergangenen Sommer brachten sie, erfolglos, die weitreichendsten Anträge ein - bis hin zur Forderung, die Notlagenindikation abzuschaffen. Das Bedürfnis, dann wenigstens vor der eigenen Haustür aufzuräumen, ist offenbar groß. Dabei fährt die baden-württembergische Landesregierung bekanntermaßen keinen liberalen Kurs. Das Sozialministerium hatte wiederholt die Mitarbeiterinnen der Freiburger Pro Familia zum Gespräch zitiert. Schließlich genügte eine schriftliche Erklärung der BeraterInnen, sich sowohl an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 1976, als auch an die Beratungsrichtlinien des Landes zu halten, um die Bedenken auszuräumen. Auf Grund des „Beratungsgeheimnisses“ sei diese Form der schriftlichen Versicherung das „einzig praktikable Mittel“ der Überprüfung, so ein Sprecher des Ministeriums.

Das es bei der Schwangerschaftsberatung um „schwierige, höchstpersönliche Probleme“ gehe, die die Verantwortlichen zur Verschwiegenheit verpflichte, daran hatte auch das Freiburger Gericht die Kreisräte erinnert. Doch diese zeigten sich von dem Urteil wenig beeindruckt.

Vergangenen Donnerstag legten sie dem Kreistag einen Beschluß vor, gegen das Urteil des Freiburger Gerichts beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in die Berufung zu gehen.

Überraschenderweise war der Antrag nicht mehrheitsfähig: Mit nur einer Stimme Differenz entschied sich der Kreistag, das Freiburger Urteil zu akzeptieren.