Im starren Korsett

■ Rätselraten über eine Konferenzplanung

Was ist das: sie ist nicht da und deshalb wirken alle nervös und ermattet? Für den modernen westlichen Menschen ist darauf nur eine Antwort möglich: die Zeit. Weil Feministinnen heutzutage zeigen wollen, wie modern, leistungsstark und konkurrenzfähig sie sind, organisieren sie eine Konferenz so straff, daß keine Zeit bleibt zum Nach -Denken und zum Austausch von Ideen. Nach dem Muster großer internationaler Konferenzen glänzte die Tagesordnung bei der Konferenz „Vater Staat und seine Frauen - 70 Jahre Frauenwahlrecht“ mit prominenten Namen auf der Rednerinnenliste, die im 30- bzw. 10-Minutentakt Schlag auf Schlag aufeinander folgten. Das Publikum hatte die Rolle von Statistinnen, denn für die Diskussion über die Referate waren schon „Disputantinnen“ geladen. Die aber wollten oft nicht so recht, zeigten sich wenig flexibel und hielten fest an ihren lange vorbereiteten, thematisch kaum aufeinander bezogenen Co-Referaten. Breit gestreut, wild durcheinander konkurrierten die Vorträge und Ideen so um die Gunst des Publikums.

Im Geiste entstand dabei allerdings nur das schlichte Bild der ein, zwei oder drei Reader, die nötig sein werden, all diese Referate zu dokumentieren. Mit diesen überaus nützlichen Büchern wird die Leserin endlich in angemessenem Tempo die Referate aufnehmen und einige Gedanken daran verschwenden dürfen. Die Referentinnen und Co-Referentinnen sehen sich gedruckt und dürfen einen weiteren Strich auf ihrer Veröffentlichungsliste machen, die sie brauchen für ihren Aufstieg in den Wissenschaften.

Eine „Demonstration intellektueller Frauenpower“ sollte diese Konferenz sein, so Barbara Schaeffer-Hegel, eine der Organisatorinnen. Falls Frauenpower und Intellektualität in Zukunft bedeuten sollten, möglichst viel Prominenz (und auch Kompetenz) in möglichst wenig Zeit durchzuhecheln, möchte ich mich schon jetzt vorsorglich davon distanzieren. Noch sind die Themen des Feminismus zu sperrig, sie lassen sich nicht häppchenweise servieren. Überraschenderweise sind auch die feministischen Wissenschaftlerinnen und Politikerinnen noch so frei, sich dieses starre Korsett nicht anzuziehen. Dies gezeigt zu haben ist zumindest ein, wenn auch unerwarteter Erfolg dieser Konferenz.

Gunhild Schöller