Das Kohl-Karussell rotiert

■ Jenninger-Nachfolge: Süssmuth kriegt den Stuhl,den Dregger nicht wollte/Vogel-Nachfolge: Wagner wird's

Berlin (taz) - „Ich glaube“, begründete Rita Süssmuth ihren Schritt von der Universität ins Kabinett Kohl, „daß ich die Chance, etwas für Frauen zu tun, nur im Kabinett und nirgends sonst habe.“ Ihr Schritt aus diesem Machtzentrum auf den mit überwiegend repräsentativen Aufgaben verknüpften Posten der Bundestagspräsidentin kommt deshalb dem Eingeständnis gleich, ihr Ziel nicht erreicht zu haben.

Angetreten war sie mit einem großen Sympathiebonus von seiten der Frauen. Heiner Geißler hatte sie genau deshalb ins Kabinett geholt: Sie sollte die Frauen jüngeren und mittleren Alters als Wählerinnen gewinnen, bei denen die Union drastische Einbußen verzeichnet hatte. Trotz dieses klaren Kalküls: Rita Süssmuth überraschte alle. Sie leierte nicht hohle Phrasen, kam nicht nur als bloße Trägerin politischer Meinung nach Bonn. Sie entpuppte sich als Persönlichkeit, erfrischend offen und entschlossen, Frauenpolitik in einem CDU-Kabinett umzusetzen.

Gescheitert ist Rita Süssmuth an der Bonner Mühle: am Starrsinn ihrer Kollegen Minister, am absoluten Desinteresse des Kabinetts an Frauenpolitik und an ihrer Unfähigkeit, sich eine Hausmacht aufzubauen. Ihre größte Niederlage mußte sie im Juli 87 einstecken: Die Kompetenzen, die die Ministermacht ausmachen, bekam sie nicht für ihr Amt als Frauenministerin. Kompetenzen bei allen Gesetzentwürfen, die Frauen betreffen, forderte sie vergebens. Auch ein Vetorecht - um frauenfeindliche Initiativen zu verhindern - bekam sie nicht. Nur das Recht, Gesetzesvorlagen zu verzögern („Vertagungsrecht“), wurde ihr zugestanden.

Stur widersetzten sich ihre Kollegen all ihren Forderungen, einen Teil ihrer Kompetenzen an das Frauenministerium abzutreten. Norbert Blüm war keinesfalls bereit, beispielsweise das Arbeitsrecht für Frauen abzugeben. Justizminister Engelhardt weigerte sich stets, mit Süssmuth eine Verständigung über einen Gesetzentwurf zu „Vergewaltigung in der Ehe“ auch nur zu suchen. „Das ist Strafrecht“, hieß es lakonisch.

Die Demontage von Rita Süssmuth, die auch einer breiten Öffentlichkeit nicht verborgen bleiben konnte, begann mit dem geplanten Beratungsgesetz. Zwar hatte sie im Wahlkampf versichert, am reformierten §218 und der Indikationslösung werde nicht gerüttelt, aber dieses Versprechen wurde nur auf einer sehr formalen Ebene eingehalten. Gedrängt von Lebensschützern, Katholiken und Erzkonservativen ihrer Partei erklärte sie sich bereit, für das Beratungsgesetz die Federführung zu übernehmen. Dieses Zugeständnis war ihr größter politischer Fehler: Sie verlor ihr Profil als glaubwürdige liberale Politikerin. Von allen Seiten geriet sie unter Beschuß. Die FDP versuchte, sich auf ihre Kosten als diejenigen zu profilieren, die das Beratungsgesetz doch noch verhindern könnten. Verabschiedet ist es bis heute nicht.

Verabschiedet ist aber auch nicht das Gesetz zur Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe, ein Projekt, das Rita Süssmuth unbedingt durchsetzen wollte. Es scheiterte am nachhaltigen Widerstand vom rechten Rand der CDU/CSU. Aufgerieben von den vielen erfolglosen Kämpfen, und persönlich gekränkt, hielt sie sich mit Stellungnahmen sehr zurück.

Rita Süssmuth läßt mit ihrem Aufstieg zur Bundestagspräsidentin das Frauenministerium in einem desolaten Zustand zurück. Ihr glückloses Agieren als Frauenministerin drohte schon ihre Erfolge bei den WählerInnen und ihre Karriere als Politikerin zu gefährden. Auf dem Sessel der Bundestagspräsidentin wird sie repräsentieren und warten. Warten auf den nächsten Posten.

Gunhild Schöller