ANSPRUCHSVOLLE COMICS

■ „Charly Banana“ in der Galerie Wewerka

Mit bizarrer Ehrlichkeit greift er tief ins psychische Gestrüpp der modernen Großstadt-Psyche: Charly Banana, bürgerlich Ralf Johannes, Kölner des Jahrgangs 1953. Wer einzelne seiner in herkömmliche Kunst- oder Stilkategorien kaum einordenbare Werkphasen sieht, möchte möglicherweise verstehen, aus welchem geistigen Umfeld dieser vielseitige Künstler seine schöpferischen Anregungen bezieht. Sein künstlerischer Werdegang kann dies nur teilweise begründen: Schon seit Mitte der siebziger Jahre zeigte er seine Werke hauptsächlich im Rheinland, nachdem er in Köln und Düsseldorf an der Fachhochschule für Kunst und Design studierte. Nach Arbeiten an Bühnenbildern, zwischenzeitlicher Mitarbeit bei Andre Hellers und Bernhard Pauls Zirkus Roncalli sowie Werbetätigkeit als Mitreisender und Entertainer bei Pop -Tourneen, diversen Aktionen und Happenings fand er in vielseitiger bildnerischer Gestaltung, besonders in der „Neuen Deutschen Malerei“, adäquate Medien für seine signifikante chaotische, aber menschlich mitfühlende und gesellschaftlich clevere Phantasie.

Ziemlich heavy, was er diesmal in der Galerie Wewerka aus seinem Zauberköfferchen geholt hat. Da wirkt besonders eine coole Triole im Vorderraum wenigstens auf den ersten Blick ganz schön befremdend: Auf glatten, anonymen schwarzen Flächen (je 200x150 cm) sind Personengruppen wie Puppen gemalt, steif, sinnlos, hypernormal. Sie glotzen in Bild I. der Serie in den leeren Raum, einen imaginären Fluchtpunkt anstarrend, TV nicht vorhanden, teilnahmslos, dogmatisch leer, kompatibel wie Fernsehpublikum, welches unkritisch jedes Programm akzeptiert. Auf einem Tischlein steht ein Lämplein, daneben kniend, Modell braves Hündchen, ein Knabe, kompatibel entfremdet, möblierte Ordnung, dogmatische Puppenstube. Eine kleine Hammondorgel steht vor dem Lämpchen auf dem falsch perspektivierten Tisch, technische Zeichnung, ein pictographischer Hocker, weiße Linien auf schwarzer Fläche, Möbel auch nicht materieller als die ebenso schematischen Raumlinien. Die größeren Personen, welche in doofen schmalen Sesseln sitzen, sind ein Mädchen mit Zöpfen, Mitte, Typ ungewichstes Schulmädchen, daneben, rechter Hand, Typ ungeliebte Lehrerin, Lockenwickler mit Brille, die Schuhe berühren nicht den Boden, daneben, auf der anderen Seite der Bildfläche, kürzeres Kleid, auch dümmlich gewiß, zweiteilig geordnete Frisur, auch spitznasig, eine jüngere Frau, eine Hand auf dem Knie, eine auf dem Sessel, Unterschenkel konisch entblößt, der Knabe unter ihrer Schuhhöhe beachtet sie nicht. Überhaupt beachten die Personen einander nicht. Sie agieren sehend blind, auf Bild II. sammelt einer Gehirne ein, auf Bild III. spielt man Tischtennis, nein, eine Frau mit Perücke trägt, wieder falsche Perspektive, Kunstrichtung Assemblage, einen Vogel im Toupet, der aus dem Bild ragt, Karneval, piep, Alltagsfaschismus der normalen Dummheit, besser Hören, besser Sehen, besser Denken.

In den hinteren Räumen der Galerie, welche durch eine schmale Diele erreichbar sind, in der eini ge „NEO„-Zeichnungen (Format 41,5x29.5 cm) hängen, sind fünf sehr hübsche Bilder aus Florenz gegenüber von sechs bemalten Stadtfotos angeordnet, daneben noch drei Formate 100 mal 70 Zentimeter.

Die von erfreulicher Stimmung getragenen Florenz-Bilder (27 -31 „Visionen Florenz“), auch 41,5 mal 29,5 Zentimeter groß, zeigen Alltagstraummotive wie einen liegend schwebenden Frauenakt in der Küche, halbdurchsichtig mit Deckweiß über bunt-pastosem Hintergrundinventar dargestellt, oder einen ebenso unprätentiös posierenden Engel, kniend, betend, glaubwürdige Phantasiegestalten vor irgendwelchen Atelierutensilien. Ein Hund mit Büchern und Tuschkasten, Aschenbecher, Tisch, Stuhl, Schrank, Dielenbretter, Gardinen, Bett, Pinsel usw. bilden teilweise absurd oder paradox das übliche Atelierinterieur, witzig und stimmungsreich verklärt, mit normalen Tuschkastenfarben aufs Papier gebracht.

Ebenso gekonnt und attraktiv auch die Stadtübermalungen von Großstädten wie Rom, New York, Berlin, Florenz, Mailand, welche, von bunten, glänzenden, aufgeklebten Folienpatterns und clownesken Profilen überlagert, sowohl die Wirkung der Fotos in Stimmung und Detailneugierde steigern als auch die Funktion der darübermontierten oder gemalten Figurationen.

Mit dieser künstlerisch auch in Werkgruppen überzeugenden Vielseitigkeit zeigt Charly Banana, sei es streckenweise auch nur in der Verkleidung als Clown oder mit der Geste des Comic als Sinn-Schablone ad hoc, daß er weiter experimentiert und auf der Suche ist nach ästhetisch innovativen Formeln, welche dem normalen Großstadtwahnsinn nicht nur trotzig oder naiv gegenüberstehen.

Andreas Kaps

Galerie Wewerka, Pariser Straße 63, Di-Fr 11-18.30 Uhr, Sa 11-14 Uhr, im November und Dezember