Die Revolution der Zukunftsstrategen

■ Ein „Anderer 68er“ plauschte am Freitag aus seiner Vergangenheit / Alle Studenten soll es weg von den Autoritäten gezogen haben / Junge Union lauschte andächtig und lernbegierig / Auch ein ALer erhoffte strategisches Lehrmaterial

Peter Radunsky ist ein kleiner, gedrungener Mann. Sein dunkler Schnurrbart sprießt etwas breiter als der von Peter Gauweiler. Wie der Bayer zählt der gebürtige Berliner Radunsky zu den „anderen 68ern“, den Strategen der CDU, die in den vergangenen 20 Jahren Adenauers und Erhards Kanzlerwahlverein auf Reformkurs gebracht haben. Doch anders als Gauweiler, den die Studentenrevolte nachhaltig traumatisiert zu haben scheint, meint der Bundesgeschäftsführer der CDU heute, er und seine damaligen Kampfgenossen hätten die zukunftsträchtigen Ströme des Bewußtseinsschubs in die CDU geleitet. Am Freitag abend sollten die Kinder der „anderen 68er“, die Aktivisten der Jungen Union, von ihm erfahren, wie der „erfolgreichere Marsch durch die Institutionen“, so die Ankündigung, gelingen konnte.

Um die Studentenbewegung aus seiner Sicht zu erklären, mußte auch Radunsky den raunenden Zeitgeist bemühen. Damals habe es, so erzählte der Bundesgeschäftsführer, einen alle Studenten einenden „Zug der Zeit weg von den Autoritäten“ gegeben, dem die Bewegung ihren Drive verdankte. Politik habe, ganz anders als heute, in der „Lebensplanung“ rechter und linker Aktivisten eine bedeutende Rolle gespielt. Tatsächlich sei die „Kulturrevolution“ der sechziger Jahre den mehrheitlich linken Studenten zu verdanken. Politisch aber habe der harte Kern jener 50 oder 60 Streiter aus dem RCDS gesiegt, der auf „Reform“ statt auf die Vollendung der „Spielrevolution“ setzte. Man selbst, so Radunsky, betrieb die innerparteiliche Revolution, entdeckte und besetzte das „Zukunftsthema“.

Da war er bei Gunnar Sohn vom Reformerflügel der Jungen Union gerade richtig. Die Partei, meinte der Nachwuchsstratege, scheine inzwischen wieder eine Modernisierung nötig zu haben. Radunsky stimmte zu: „Mehr Jüngere, mehr Frauen und so“ müßten zu Wort kommen, „unbedingt“ müsse man die Partei öffnen. Postulate dieser Art kamen einem Zuhörer so bekannt vor, daß er nun genauer wissen wollte, worin denn der entscheidende Unterschied zu den richtig linken 68ern bestanden habe, außer im Erfolg. Er und die Seinen hätten zwar damals aus der Sicht der Unionsspitze als links gegolten, antwortete Radunsky, doch die Linke habe bei der Anti-Springer-Kampagne „den Rechtsstaat langsam angeritzt“, während man selbst die staatlichen Institutionen noch für veränderbar hielt. Für die Kampagne gegen Springer hätten die Linken aber gute Gründe gehabt, gab der renitente Sprößling zurück.

Doch Radunsky, der Profi aus Bonn, ließ sich nicht auf historischen Moralismus ein, sondern warnte die Jung -Unionisten davor, die Presse zu überschätzen. Die bewegten Studenten hätten in den sechziger Jahren die Bedeutung der Medien entdeckt und durch symbolische Aktionen ausgenutzt, so formulierte er die wichtigste taktische Erkenntnis der 68er. Heute starre aber die komplette Bonner CDU jeden Montag mit „religiöser Inbrunst“ in den 'Spiegel‘, neue Schläge der „Kampagne gegen uns“ befürchtend. Die Regierungspartei, deren politische „Hardware“ stimme, müsse auch ihre „Software“, ihr Ansehen in der Öffentlichkeit, noch verbessern.

Sollte in der AL demnächst die Forderung laut werden, den Kampf um die öffentlichen Meinungen einem Elektronenhirn anzuvertrauen, so steckt vermutlich der alternative Nachwuchs dahinter. Gespannt lauschte nämlich inmitten der christlichen Jung-Männerschar auch Michael Hammerbacher, Vertreter des AL-Jugendbereichs, dem Bonner Feldherren, weil man, wie er der taz exklusiv anvertraute, zwar „inhaltlich nichts, aber strategisch 'ne Menge von Radunsky lernen“ könne.

Werner van Bebber