Vorstand der NRW-Grünen trat zurück

Er übernahm damit die Verantwortung für „Unregelmäßigkeiten und Schlampereien“ in den Jahren 1983 bis 1987 / Erregte Debatten um die Gründe / Die Neuwahlen finden erst im Januar 1989 statt  ■  Aus Aachen Walter Jakobs

Der nordrhein-westfälische Landesvorstand der Grünen hat seine Ankündigung wahr gemacht und ist am Wochenende geschlossen zurückgetreten. Mit diesem Schritt übernahm der Vorstand die „politische Verantwortung“ für die finanziellen „Unregelmäßigkeiten und Schlampereien“, die eine parteiinterne Untersuchungskommission und die Unternehmensberatungsgesellschaft „Treuarbeit“ festgestellt hatten; damit werde jedoch, wie der ehemalige Sprecher Horst Fritsch sagte, „eine persönliche Schuld“ nicht anerkannt. Wie berichtet, hatte die Kommission herausgefunden, daß im Zeitraum zwischen 1983 und 1987 dem Landesverband etwa 120.000 Mark durch schlampige Kassen- und Buchführung endgültig verlorengingen. Hinzu kommen Kredite und Bürgschaften von etwa 350.000 Mark - davon 150.000 an Bauer Maas -, die zum Teil als uneinbringlich gelten. Insgesamt, so gestand der Kommissionsvorsitzende Michael Vesper vor den Delegierten in Aachen ein, seien von der Kommission „bedrückende Mängel“ in der Finanzverwaltung der Landespartei festgestellt worden. Ob mit dem Bericht und mit dem Rücktritt des Vorstands das Fundament zu einem „Neuanfang“, zu der von Vesper geforderten „vorwärts weisenden Perspektive“, gelegt worden ist, steht dahin.

Bei Redaktionsschluß war ein Ende der erregt geführten Debatte noch nicht absehbar. Während der in den besonders umstrittenen Jahren 83 bis 85 verantwortliche Geschäftsführer Thomas Hoof jede „personalisierte Verantwortung“ für das „Irrenzeitalter der Grünen“ ablehnte, dem Kommissionsbericht „eine doppelte Heuchelei“ vorwarf und daran erinnerte, daß die Partei in jenen Tagen aus basis und strömungspolitischen Gründen „mit aller Macht eine starke Verwaltung in Düsseldorf“ stets verhindert habe, sieht der zurückgetretene Vorstand in seinem Schritt ein grünes „Signal“ an die Öffentlichkeit, daß man beispielhaft für „schonungslose“ Offenlegung der Fehler gesorgt habe.

Die Wahl des neuen Vorstands wurde auf einen Sonderparteitag am 21. und 22. Januar 1989 gewählt. Bis dahin sollen die zurückgetretenen Vorstandsmitglieder die Geschäfte kommissarisch weiterführen. Über den Ort des Sonderparteitages konnten noch keine Angaben gemacht werden.

Vor der Finanzdebatte hatten die NRW-Grünen neun Stunden lang über eine Erklärung zur Europawahl diskutiert und ihre KandidatInnen gewählt, die allerdings noch von der Bundesversammlung bestätigt werden müssen. Die NRW-Grünen wollen F.W.Graefe zu Baringdorf, Dorothee Piermont, Dieter Drabiniok, Renate Berger und Elisabeth Dessai nach Brüssel schicken. Zu einer Verabschiedung der Europa-Erklärung kam es nach einem chaotischen Abstimmungsmarathon nicht.

In einer am Samstag verabschiedeten umweltpolitischen Grundsatzerklärung werfen die Grünen der Landesregierung vor, „wieder in das Lager der Atomkraftbefürworter“ zurückzukehren. Wer die Stillegung der Atomanlagen „trotz festgestellter schwerster Sicherheitsmängel ablehnt, hat sich endgültig vom Vorsorgerprinzip im Umweltschutz verabschiedet“, heißt es darin.