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Kartell im Koma

Es geht heute in Wien nicht um die künftige OPEC-Politik, sondern schlicht darum, ob sich die OPEC selbst wiederbeleben kann oder klinisch tot bleibt. Tatsache ist, daß seit über zwei Jahren ein Kartell der Ölförderstaaten faktisch nicht existiert.

Ein Kartell funktioniert nur dann, wenn sich seine Mitglieder an Absprachen - vor allem Produktionsbegrenzungen - halten, um bestimmte Mindestpreise für ihr Produkt zu erzielen. Das setzt allerdings auch voraus, daß die Kartellmitglieder einen so großen Anteil am jeweiligen Markt innehaben, daß nicht andere Produzenten durch ihre Angebote die Kartellpolitik unterlaufen können. Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt, und daher kann die OPEC derzeit bestenfalls als Debattierklub bezeichnet werden, der sich überdies auch noch weitgehend auf interne Streitereien beschränkt.

Mal mehr, mal weniger pumpte Saudi-Arabien seit 1976 stets über seine Höchstfördermenge, die dem Land nach den OPEC -Vereinbarungen zusteht, hinaus. Die offizielle Begründung: Riad will seine Partnerstaaten über den dadurch hervorgerufenen Preiszusammenbruch zwingen, sich an ihre Quoten zu halten.

Der eigentliche Grund dürfte eher in dem Versuch liegen, sich die traditionellen Absatzmärkte zu sichern, die dem Wüstenstaat in den letzten Jahren verlorengegangen sind. Nicht zuletzt auf Grund der ölproduzierenden Staaten außerhalb der OPEC, die seit 1978 erheblich an Gewicht gewonnen haben (vor allem Großbritannien und Mexiko). Mehr noch als die Energiesparmaßnahmen war es die Förderung dieser Länder, die die Macht des Kartells gebrochen haben. Zwar beschickt die OPEC derzeit den Weltmarkt mit zwei Dritteln des international gehandelten Öls. Von der weltweiten Rohölförderung entfällt jedoch kaum mehr ein rundes Drittel auf die OPEC-Staaten. Da nutzt es den 13 Staaten wenig, daß die lange Frist eindeutig für sie spricht: Drei Viertel der noch nicht geförderten Erdölreserven befinden sich auf den Territorien ihrer Mitgliedsländer. Wenn in Großbritannien im Jahr 2000 der letzte Tropfen gefördert ist, ist in Saudi-Arabien noch längst nicht Halbzeit im Ölzeitalter. Weit über 200 Jahre kann dort noch gebohrt und gepumpt werden. All das hilft der OPEC jedoch heute wenig.

Was die aktuellen Schwierigkeiten der OPEC angeht, so schaffte es Saudi-Arabien stets, die beiden kriegführenden Golfstaaten auf die Anklagebank des Kartellgerichtes zu setzen. Beide überschritten ihre Quote, um Devisen für teures Kriegsgerät und Munition zu verdienen, wobei die Quote des Iran allerdings weit unter der frühreren Förderung zu Zeiten des Schah lag.

Wer nun allerdings gehofft hatte, daß nach Friedensschluß die Förderdisziplin am Golf wieder einsetzen würde, sah sich erheblich getäuscht. Das Gegenteil droht einzutreten. Inzwischen benötigen der Iran und der Irak dringend Devisen zum Wiederaufbau. Der Irak kümmert sich daher nicht um seine Förderquote von 1,5 Millionen Barrel (159 Liter) pro Tag, sondern saugt üppige 2,7 Millionen nach oben. Im übrigen beansprucht Bagdad eine genauso hohe Quote wie der ehemalige Kriegsgegner, derzeit 2,36 Millionen Barrel. Zuchtmeister Saudi-Arabien drehte die Hähne ebenfalls auf: 5,7 Millionen Barrel fließen täglich nach oben anstatt 4,3 Millionen. Drohend verlautete aus Riad, man könne binnen 14 Tagen die Förderung auf zehn Millionen Barrel erhöhen.

Summa summarum produzierte die OPEC im Oktober 21,1 Millionen Barrel pro Tag. Von der derzeit gültigen Gesamtquote spricht dagegen kein Mensch mehr. Das Ergebnis: Der Ölpreis dümpelte im Oktober wieder mal knapp oberhalb der 10-Dollar-Grenze. Dubai verkaufte an Japan bereits wieder für 9,15 Dollar. Vom offiziellen OPEC-Richtpreis (18 Dollar pro Barrel) spricht heute ebenso keiner mehr wie von der offiziell noch gültigen OPEC-Gesamtförderquote über 17,429 Millionen Barrel. Es wird allgemein erwartet, daß das Wiener Treffen sich um Realismus bemühen wird und eine leichte Erhöhung der Gesamtquote beschließt. Wahrscheinlich ist eine Marke zwischen 18 und 19 Millionen Barrel. Inwieweit dies zur Preisstabilisierung beiträgt, ist alledings völlig offen.

-ulk

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