Millionen Serben gegen Kosovo-Albaner

■ Nationalitätenkonflikt in Jugoslawien eskaliert / Massendemonstrationen in Belgrad und Kosovo / Serbiens Parteichef Milosevic: „Die Schlacht um Kosovo werden wir gewinnen“ / Provinzpräsident Koljgeci kündigt Sondersitzung des Zentralkomitees in Kosovo an

Berlin (dpa/afp/taz) - „Jetzt ist nicht mehr die Zeit zum Jammern, sondern die Zeit zum Kämpfen“, rief der serbische Parteichef Slobodan Milosevic den über eine Millionen Menschen zu, die seinem Aufruf zu einer Protestversammlung am Samstag mittag in Belgrad gefolgt waren. In kämpferischem Ton erklärte er den Demonstranten, Serben und Montenegriner seien die „Opfer des Terrors“ albanischer Nationalisten in Kosovo. „Wir werden gewinnen. Kosovo wird im Herzen Serbiens bleiben, und niemand kann die Vereinigung Serbiens durchkreuzen“, versicherte er unter dem donnernden Applaus der größten Menge, die seit Gründung des Staates zusammengekommen war.

Es war das erste Mal, daß Milosevic auf einer solchen Versammlung das Wort ergriff. Die Demonstranten trugen jugoslawische Flaggen und zahlreiche Transparente mit dem Bild ihres Parteiführers. Es gab viele Anstecker mit der Aufschrift „Ich bin Serbe“. Als die Namen des Präsidenten der Republik Slowenien, Janez Stankovnik, und eines zweiten slowenischen Führers, Joze Smole fielen, buhte die Menge.

Die Massenversammlung war der bisherige Höhepunkt einer seit Monaten mit nationalistischen Parolen geführten Verfassungsdebatte. Durch diese versucht die serbische Parteiführung, ihren Einfluß auf die Politik und Verwaltung in der mehrheitlich von Albanern bewohnten serbischen autonomen Provinz Kosovo und auch in der von einer starken ungarischen Minderheit bewohnten autonomen Provinz Wojwodina auszubauen.

In Kosovo hat die albanische Bevölkerung nach dreitägigen Massendemonstrationen einen Teilerfolg errungen. In der Nacht zum Sonntag kündigte Provinzpräsident Remzi Koljgeci eine Sondersitzung des Zentralkomitees der Partei in Kosovo an, die über die Forderungen der Demonstranten beraten soll. Über 100.000 Menschen versammelten sich am Samstag nachmittag in der Provinzhauptstadt Pristina. Sie protestierten gegen die ständigen Diffamierungen aus Belgrad und gegen die Absetzung der albanischen Parteichefin Kacusa Jasari und ihres Vorgängers Azem Vlasi am Donnerstag. „Wir sind auch ein Volk“, riefen die Demonstranten. Ausdrücklich bekannten sie sich zu Tito, dem Staatsgründer des sozialistischen Jugoslawien, und forderten die Einhaltung der Verfassung von 1974, in der das Autonomiestatut für die Region festgeschrieben wurde.

Schon am Donnerstag abend hatten trotz eisiger Kälte erstmals einige zehntausend Albaner gegen die Rücktritte der beiden Politiker protestiert. Als sich dann am Freitag im Sportstadion von Pristina mehr als 60.000 Menschen versammelten, war dies die größte Protestversammlung in der Region seit den Demonstrationen und dem blutigen Polizeiterror von 1981. Frau Jasari rief während der Versammlung dazu auf, nach Hause zu gehen, Ruhe zu bewahren und der Partei bei der „Überwindung der Krise“ zu helfen.

Die Demonstrationen in Kosovo lösten in der Nacht zum Samstag hektische Aktivitäten bei den „Sicherheitskräften“ und den jugoslawischen Bundespolitikern aus. Wie die jugoslawische Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ meldete, traf der jugoslawische Innenminister am Freitag abend in Pristina zusammen mit dem ZK-Sekretär Stefan Korosec ein.

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